VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Das Präsidentenamt beim TSV 1860 ist alles andere als ein dankbares Amt. “Du hast nullkommannull Lebensqualität”, hatte einmal der unvergessene Karl-Heinz Wildmoser gesagt. Robert Reisinger, der nach dem sportlichen Abstieg den zurückgetretenen Peter Cassalette ablöste, kann ein Lied davon singen. Dass Reisinger nicht nur Schulterklopfer und Freunde im Verein hat, spürte der 53-Jährige auch am vergangenen Donnerstagabend beim ARGE-Treffen der Region 7 in Taufkirchen an der Vils. Der Ober-Löwe bekam bei seinen Besuch im “Wagnerwirt” äußerst kritische Töne zu hören, vor allem die Stadion-Frage spaltet trotz aller Euphorie um den Regionalliga-Tabellenführer weiter den Verein. “Wir können nicht nachvollziehen”, sagte beispielsweise Günther Hölzl, Vorstand der Löwenfreunde Mitterskirchen, stellvertretend für den Großteil der Anwesenden im Saal, “dass 1860 ins Grünwalder Stadion, in eine Bauruine zurückgekehrt ist. Ich mag das Grünwalder, aber 1860 kann darin finanziell nicht überleben. Wir sind jetzt wieder in der Steinzeit. Unserem Fanclub geht es nicht ums Stadion, sondern nur um die Sache: Um den Sport!”

Zwischenzeitlich wurde Reisinger laut mehreren Augenzeugen sogar etwas lauter, nachdem er von den Fans in die Mangel genommen wurde. Hölzl: “Er sagte, dass 1860 die Mehrkosten in Höhe von 1,5 Millionen Euro nicht auftreiben konnte und auch keine Fortführungsprognose bekommen hätte, gleichzeitig erklärte Reisinger aber auch klipp und klar, dass er nicht Präsident geblieben wäre, wenn 1860 weiter in der Allianz Arena gespielt hätte.” Dass Premiumsponsor MAN beim Arena-Verbleib zusätzlich tausende Tickets gekauft hätte, wollte Reisinger nicht bestätigen. Nach dieblaue24-Informationen war der Plan des Münchner Unternehmens aber, neben der Sponsorgage 50.000 Tickets für fünf Spiele (u.a. Bayern, Augsburg) im Wert von geschätzten 650.000 Euro zusätzlich zu kaufen.

Als der Vorwurf kam, dass viele Fans durch den Umzug ausgesperrt werden, weil nur 12.500 Besucher ins Grünwalder Stadion passen, erklärte Reisinger, “dass in Dortmund auch nicht mehr als 80.000 Karten verkauft werden können und man sich auch bei uns damit abfinden müsse, dass wir jetzt im Grünwalder sind.” Er selbst sei überrascht gewesen, dass 1860 einen Dauerkarten-Boom erlebt habe. Reisinger: “Wir hätten in der Allianz Arena nie so viele Dauerkarten wie im Grünwalder Stadion verkauft.” Rund 7500 Dauerkarten haben die Löwen in dieser Regionalliga-Saison abgesetzt, damit mehr als in der Zweiten Liga. Sollte der TSV 1860 in die Dritte Liga aufsteigen, werde laut Reisinger der Etat auf rund 6 bis 7 Millionen Euro steigen. Wie diese Summe gestemmt werden soll, verriet der Ober-Löwe aber nicht.

Kritik musste sich Reisinger in Taufkirchen auch für die Mitgliederversammlung im Juli im Zenith gefallen lassen. Hölzl: “Aus unserer Sicht haben die Bauchpinsler ihre Redezeit bekommen, die anderen, die das System kritisch hinterfragten, sind abgewürgt worden. Das ist für uns keine Demokratie. Reisinger hat unsere Vorwürfe dementiert und alles abgestritten.”

Hölzls Fazit zum Reisinger-Besuch: “Der Präsident hat sich gestellt, das fand ich gut. Er hat alle Fragen beantwortet, aber wir wissen nicht, was stimmt und was nicht. Momentan spricht alles für Reisinger. Wir wünschen uns aber, dass er transparanter wird und die Leute mit ins Boot nimmt. Wir als Auswärtige fühlen uns im Moment nicht richtig mitgenommen. Das muss anders werden.”