VON OLIVER GRISS

Johann Streif ist eine gute Haut. Der 59-jährige Münchner gehört sein Jahrzehnten dem Ordnungsdienst des TSV 1860 an. In dieser Saison bewacht er einen Sektor auf der Haupttribüne des Grünwalder Stadions. Er ist immer freundlich, aber resolut. Aber: Er hat einen schwarzen Fleck in seiner Vita: Er war einmal ein Roter. Vor dem Derby gegen den FC Bayern (Sonntag, 15 Uhr, dieblaue24-Liveticker) hat dieblaue24 Streif anläßlich der Serie “Aus Rot wird Blau” zum Interview getroffen.

dieblaue24: Herr Streif, Sie waren mal ein Roter, aber haben dann irgendwann den Farbwandel vollzogen. Wie kam’s?

JOHANN STREIF: In meiner Jugendzeit, den 60er und 70er Jahren, wurde ich auch durch die Berichterstattung in der Presse Bayern-Fan. Ich war zwar nie im Stadion, aber ich hatte für diesen Verein große Sympathien - das muss ich zugeben. Im nachhinein war der FC Bayern meine größte Sünde. Das waren für mich verlorene Jahre.

Was ist dann passiert?

1990 hatte ich eine Begegnung mit einem Behinderten, der eine Begleitung fürs Grünwalder Stadion suchte. Er fragte mich, ob ich Lust hätte, mit ihm zu Sechzig zu gehen. Ich war dabei - und nach diesem Spiel war ich mit dem 1860-Virus infiziert. Das Flair, die Menschen - ich habe sofort gewusst: Ja, das ist mein Verein! Das Gewinnen ist für mich nicht so wichtig, mir geht es um den besonderen Schlag von Menschen bei Sechzig. Ich habe nur positive Erfahrungen gemacht. Die Farbe Rot ist aus meinem Kleiderschrank geflogen, ich schlafe heute noch in 1860-Bettwäsche.

Was war bislang das einschneidendste Erlebnis mit den Löwen?

Ganz klar: Der Aufstieg 1994 in Meppen. Damals war ich mit dem Ordnungsdienst dabei - das war ein Highlight. Aber auch den Ausflug mit meiner Clique nach Leeds war einmalig. Diese Bilder haben sich für immer bei mir eingebrannt.

Wie sehr schmerzt der Zwangsabstieg in die Regionalliga Bayern?

Der 30. Mai hat mich sehr schwer getroffen - ich war wie gelähmt und in der absoluten Schockstarre. Ich wollte keinen Fußball mehr sehen. Dass wir jetzt wieder gewinnen, auch wenn es nur in der Regionalliga ist, ist geil.

Wo sehen Sie 1860 in fünf Jahren?

Wenn es der liebe Gott will, dann hoffe ich, dass wir irgendwann mal wieder Zweite Liga spielen. Erste Liga ist für mich Utopie. Leider.

Fühlen Sie sich eigentlich wohl im Grünwalder Stadion?

Einerseits ist das Grünwalder unser Wohnzimmer, andererseits ist es nicht mehr zeitgemäß. Das beste Beispiel ist doch Augsburg. Dieses Stadion wäre was für uns. Ich frage mich heute schon: Was passiert, wenn wir wieder in die Zweite Liga aufsteigen können? Wo sollen wir spielen? Schon jetzt müssen sich unsere Herren darüber Gedanken machen.