VON OLIVER GRISS

Erst langsam wird einem bewusst, was sich an diesem 27. Mai 2018 eigentlich abgespielt hat: Nicht nur, dass der TSV 1860 nach seiner einjährigen Tingeltour über die bayerischen Dörfer den sofortigen Wiederaufstieg in den Profifußball geschafft hat, sondern, dass der Verein und die Anhänger etwas erleben durften, worüber man womöglich noch in 50 Jahren sprechen wird: Nein, diese Aufstiegsparty war keine normale Feier, sondern ein historisches Ereignis - und das kann ich durchaus beurteilen, weil die vorangegangenen drei Aufstiegsfeste der Löwen in den Jahren 1991, 1993 und 1994, die ich als Reporter bereits erleben durfte, nicht im Ansatz diese emotionale Qualität hatten. Zurecht sagte Trainer Daniel Bierofka, ohne den dieses Comeback des Jahres nicht möglich gewesen wäre, dass diese Feier ihresgleichen sucht: “Am schönsten war die spontane Feier mit den Fans, erst direkt nach dem Abpfiff im Stadion, dann draußen auf dem Bus. Ganz ehrlich: Eine solche Stimmung und Begeisterung habe ich in inzwischen 20 Jahren Profifußball noch nicht erlebt.” Und Bierofka hat bereits einiges in seiner Karriere erlebt: Er spielte mit dem TSV 1860 als junger Bursch in der Champions League-Qualifikation gegen Leeds, er trat mit Bayer Leverkusen im Bernabeu-Stadion in Madrid auf - und er gewann mit dem VfB Stuttgart 2007 die deutsche Meisterschaft. Aber die Aufstiegsfeier des TSV 1860 in die Dritte Liga hat alles getoppt. Mich erinnern diese Bilder an die zweite Loveparade 1990 in Berlin: Fremde Menschen feiern ihre Leidenschaft. Die Raver ihren Sound, die Löwen ihren heißgeliebten Verein.

Die große Frage, die viele Fans nun beschäftigt: Wie kann der Kultklub aus München-Giesing von diesem Löwen-Flash, der wieder für Geschlossenheit sorgen könnte, profitieren? Wie wird der TSV 1860 die Euphorie in Euro umsetzen, damit die Fortführung des Profifußballs langfristig gesichert ist? Natürlich, die Rückkehr ins Grünwalder Stadion war emotional die richtige Entscheidung, aber finanziell wirft die zusammengeschrumpfte Spielstätte leider kaum etwas ab - und wer im Fußball konkurrenzfähig bleiben will, braucht Einnahmen, um zu überleben. Zwar wird das Grünwalder Stadion ab der neuen Spielzeit ein Fassungsvermögen von 15.000 Plätzen bieten, doch jeder kann sich vorstellen, dass diese Kapazität nicht mal im Ansatz ausreichen wird, um alle Mitglieder bzw. Fans glücklich zu machen und vor allem auch profitabel wirtschaften zu können. Wetten, dass 1860 nach diesem Jahr 15.000 Dauerkarten verkaufen könnte?

Präsident Robert Reisinger muss jetzt Antworten liefern - und zwar schnell. Und das nicht nur in der Finanzierungsfrage. Die Dritte Liga startet in zwei Monaten.