VR-Kandidat Trahms kritisiert Wahlkampf-Methoden bei 1860: "Senta Auth? Es darf niemals unter die Gürtellinie gehen!"
- VON OLIVER GRISS UND LEONHARD HUBER (Foto)
- 21.07.2018 10:01
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VON OLIVER GRISS UND LEONHARD HUBER (FOTO)
Jesko Trahms ist Löwe durch und durch - und das, obwohl er in Düsseldorf arbeitet. Der 51-jährige Anwalt (Schwerpunkt: Strafrecht) gehört zum “Team Profifußball.” Er kandidiert mit Winkler, Hirschberger & Co. für den Verwaltungsrat, der am Sonntag aus 30 Löwen gewählt wird. Das db24-Interview:
dieblaue24: Ganz provokant gefragt: Herr Trahms, sind Sie ein Spalter?
JESKO TRAHMS: Nein, weder ich, noch die Kandidaten des Teams Profifußball sind Spalter. Im Gegenteil: Wir wollen ja gerade versuchen, das sogenannte Lagerdenken und die Spaltung im Verein zu überwinden helfen. Dies war ja auch unser Ansatz bei unserer Abschlussveranstaltung diese Woche in der „Isarpost“, bei der zahlreiche Offizielle und Kandidaten vertreten waren, die bekanntlich eine andere Meinung vertreten. Ich gebe Ihnen auch noch ein anderes Beispiel: Ich bin seit langem mit Norbert Steppe befreundet, den ich persönlich sehr schätze und mit dem ich in unzähligen Auswärtsspielen gemeinsam die Löwen angefeuert und unterstützt habe. Auch mit Sebastian Seeböck tausche ich mich regelmäßig aus, weil man sich permanent bei den Spielen sieht. Gleiches gilt für Hans Sitzberger. Wir alle haben unterschiedliche und teilweise konträre Ansätze und Überzeugungen über den „richtigen“ Weg bei Sechzig; gleichwohl respektieren wir uns und führen ruhige und sachliche Diskussionen. In einem sind wir uns aber immer alle einig: Einmal Löwe Immer Löwe!
Aber Hans Vonavka, Sprecher von “PRO1860”, behauptet, dass das Team Profifußball “die Autonomie des Vereins untergraben möchte”. Was haben Sie entgegen zu setzen?
Ich kann mit diesem Vorwurf eigentlich nicht so viel anfangen. Wir alle wollen einen starken und möglichst auch unabhängigen Verein. Als Rechtsanwalt bin ich es gewohnt mit komplexen und schwierigen Sachverhalten umzugehen. Will man Lösungen erreichen, muss man sich zwingend und ausnahmslos an den Tatsachen und Realitäten orientieren - Wunschdenken hilft hier leider nicht weiter. Fakt ist - und das dürfte keiner ernsthaft bestreiten wollen -, dass der Verein wegen seiner gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der KGaA ein ureigenstes und damit auch autonomes (!) Interesse am „Wohlbefinden“ und der Überlebensfähigkeit dieser Gesellschaft hat. Fakt ist weiter, dass eine Insolvenz der KGaA den e.V. mit negativen, ja vielleicht sogar katastrophalen Auswirkungen bedrohen würde. Fakt ist schließlich, dass die Gesellschaft derzeit nur mit einer zeitlich limitierten sogenannten „positiven Fortführungsprognose“ arbeiten kann. Die Uhr tickt also; es gilt daher frühzeitig klare Konzepte zu entwickeln und auch umzusetzen, um die Autonomie des Vereins zu wahren und ein negatives Szenario zu verhindern. Nebenbei bemerkt: Das halte ich - neben anderen Dingen - für eine der elementaren Aufgaben und Verpflichtungen des Verwaltungsrats: Nach 13.7.1.a) der Satzung überwacht der Verwaltungsrat das Präsidium in seiner Geschäftsführung und in der Wahrnehmung seiner Vereinsaufgaben. Die Beteiligung an der KGaA gehört nach 3.2. der Satzung zum Vereinsvermögen. Von daher: Wir bewerben uns schon für die richtige Position und Funktion.
Warum sollten die 1860-Mitglieder das Team Profifußball wählen?
Ich zitiere wieder aus 13.1. der Satzung: Die Mitglieder des Verwaltungsrats sollen angesehene Personen sein, die aufgrund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen in der Lage sind, dem Verein beratend in rechtlichen, wirtschaftlichen, sportlichen, sport- und fanpolitischen Belangen sowie aufsichtsführend zur Verfügung zu stehen. Ich finde, dass unser Team Profifußball genau diese Belange abbildet und damit erfüllt. Wir haben nachgewiesene wirtschaftliche Kompetenz an Bord, sind vollkommen unabhängig und haben mit Bernhard Winkler endlich jemanden, der den Profifußball nicht nur aus der Perspektive des Zuschauers kennt. Ob jeder einzelne die Mitglieder überzeugt, muss natürlich individuell entschieden werden; wir haben keine Blockwahl! Wir sind mit unseren Personen, Themen und Konzepten ein demokratisches Wahlangebot, nicht mehr und nicht weniger.
Volksschauspielerin Senta Auth, die auch in Ihrem Team ist, wird im Internet heftig diskreditiert. Sogar die Polizei ist mittlerweile eingeschaltet. Haben Sie für solche Mittel im Wahlkampf Verständnis?
Im Interesse des Vereins ist eine harte und kontroverse Auseinandersetzung mit Argumenten und um Ziele durchaus gerechtfertigt. Niemals darf es aber „unter die Gürtellinie“ gehen, beleidigend und persönlich verletzend werden. Es darf doch nicht vergessen werden, dass wir sowohl bei Mandatsträgern als auch Kandidaten über ein ehrenamtliches Engagement sprechen. Menschen opfern Zeit und teilweise auch Geld um etwas für das Vereinswohl zu bewirken. Auch wenn man inhaltlich komplett anderer Ansicht ist, darf das nie dazu führen, dass die Privatsphäre, die persönliche Integrität und sogar die berufliche Reputation angegriffen oder verletzt wird. Dies gilt für alle Beteiligten. Alle sollten einmal eine Minute innehalten und nachdenken, wie wir Sponsoren und Persönlichkeiten von einem Engagement bei Sechzig überzeugen wollen, wenn noch nicht einmal die Basis für einen respektvollen und zivilisierten Umgang miteinander gegeben ist?!
30 Kandidaten stehen zur Wahl für den Verwaltungsrat: Wer ist Ihr Topfavorit?
Teilnehmer: 3784
Und was passiert, womit zu rechnen ist, dass das “Team Profifußball” bei der Verwaltungsratswahl scheitert und bestenfalls zwei Kandidaten reinbekommt?
Dann ist das eine demokratische Entscheidung der Mitgliederversammlung und gehört selbstverständlich akzeptiert. Allerdings werden die übrigen Mitglieder des Teams Profifußball weiter mit Rat und Tat zur Seite stehen, wobei selbstverständlich die Geheimhaltungspflichten zu beachten sind. Wir haben uns in der Gruppe auf ein längeres Engagement verständigt, welches nicht von der Übernahme einer Funktion abhängig ist.
Würden Sie gewählt werden, welchen Kurs würden Sie im Umgang mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik befürworten: Konfrontationskurs oder ein Miteinander auf Augenhöhe?
Auch hier habe ich nur eine Orientierung: Die Realität. Fakt ist, wir haben in der Fußballgesellschaft einen Mitgesellschafter. Fakt ist weiter, dass dieser keine Anstalten macht, seine Anteile verkaufen zu wollen und dies auch mehrfach kommuniziert hat. Die Konstellation, dass es in einer Gesellschaft Auseinandersetzungen der Gesellschafter gibt und man nicht „ein Herz und eine Seele ist“, ist für einen Anwalt jetzt nicht so ungewöhnlich. Es gilt dann immer nach dem Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners vorzugehen und sich Schritt für Schritt vorzuarbeiten. Ein mühsamer Prozess, der aber meiner Überzeugung nach alternativlos ist. Mir ist keine Gesellschaft bekannt, die dauerhaft erfolgreich ist, wenn sich die Gesellschafter wechselseitig bekriegen und blockieren. Konfrontation schadet auf Dauer nur beiden Gesellschaftern und damit mittelbar auch dem Vereinsvermögen. Deshalb muss miteinander gesprochen werden, ob man das will oder nicht. Eines ist dabei wichtig: Man muss versuchen nach vorne zu schauen und die „Schuldfrage“ für Vergangenes außen vor zu lassen. Auch das ist schwierig, aber wieder alternativlos wenn man Lösungen haben will.
Der Verwaltungsrat bestellt im Jahr 2019 den Präsidenten: Warum hätte Robert Reisinger Ihr Vertrauen?
Eine solche Frage steht jetzt im Jahr 2018 nicht zur Debatte. Das Präsidium ist gewählt; am Sonntag ist der neue Verwaltungsrat zu bestimmen.
Der TSV 1860 ist seit Jahrzehnten chronisch klamm: Welchen Masterplan haben Sie, damit die KGaA eigenständig überleben kann und vor allem in der Sponsorensuche eine bessere Figur abgibt als in der Vergangenheit?
Eines dürfte doch unstreitig sein: Voraussetzung für eine erfolgreiche Sponsorensuche ist doch ein gutes Image und der Anreiz, sich gemeinsam mit der Marke 1860 zu präsentieren bzw. zu verbinden. Und da gilt es anzusetzen und zu dokumentieren, dass 1860 eben wieder ein verlässlicher Partner ist, mit dem man sich sehen lassen kann. Sie sehen: Die Befriedung der gesellschaftsrechtlichen Komponente ist ohne Alternative, wenn man voran kommen will.
Im Grünwalder Stadion ist der Löwe stark limitiert: Mit nur 15.000 Plätzen und kaum Vermarktungsmöglichkeiten wird 1860 wohl nur selten schwarze Zahlen schreiben können. Wie sehen Sie dieses offensichtliche Handicap?
Profifußball erfordert in der heutigen Zeit entsprechende Vermarktungsmöglichkeiten des Stadions. Alle Vereine in Deutschland haben und mussten das begreifen und haben sich insoweit neu aufgestellt: Ich nenne in diesem Zusammenhang nur die Aufgabe der Spielstätten in Mönchengladbach (Bökelberg) oder Schalke (Parkstadion), die ja auch mit unglaublich viel Emotion und Tradition verbunden waren. Auch St. Pauli und Union Berlin haben komplett neue Stadien. Deshalb ist die Klärung der Stadionfrage unerlässlich für die dauerhafte Existenz von Sechzig im Profifußball.
Die SPD-Stadtratsfraktion, zu der auch 1860-Verwaltungsrätin Verena Dietl gehört, hat jetzt einen Antrag gestellt, dass das Grünwalder Stadion auf eine Kapazität von 18.600 Zuschauer aufgestockt werden muss. Wahlkampf oder eine vernünftige Idee?
Jede Aufstockung ist hilfreich und zu begrüßen. Das sage ich ganz ausdrücklich und freue mich sehr darüber. Ganz einfach weil dann wieder mehr Menschen zu Sechzig gehen können. Aber leider führt auch das nicht zu einer erheblichen Verbesserung der Einnahmesituation. Die gäbe es nur mit Logen, Business Seats, Werbefächen etc.
Wenn die Stadt einen Aus- bzw. Umbau des Grünwalder Stadion final ablehnt, was muss dann bei 1860 passieren?
Erste Option ist der Ausbau des Grünwalder auf eine Kapazität von ca. 30.000 Zuschauern mit den schon angesprochenen Vermarktungsmöglichkeiten. Geht das nicht, bedarf es der Entwicklung von Alternativen. Es gilt die Stadt davon zu überzeugen, dass Sechzig eben auch ein Werbeträger der Stadt München ist, diese repräsentiert, ein bundesweites Fanpotential hat und für den Profifußball eine angemessene Spielstätte benötigt, die gegebenenfalls auch multifunktional nutzbar ist. Auch das wird nicht einfach, muss aber angegangen werden.
Wie stehen Sie der 50+1-Regel gegenüber - und wie bewerten sie den Kommerz im Fußball generell?
50+1 ist in Deutschland geltendes Recht, daher zu beachten und hat sich sicher bei einer Gesamtbetrachtung für die meisten Vereine bewährt. Was mir persönlich missfällt, ist die nicht einheitliche Anwendung; Vereine wie Leverkusen, Wolfsburg oder Ingolstadt gehören zu 100% Konzernen. Dann das Modell von RB Leipzig, welches sicher auch nicht dem Grundgedanken von 50+1gerecht wird. Ob die Regelung einer gerichtlichen Überprüfung wird standhalten können, ist aus verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten mehr als fraglich. Von daher wäre eine Modifizierung wünschenswert bevor der „Markt“ durch eine entsprechende gerichtliche Entscheidung wohlmöglich komplett freigegeben wird. Der Kommerz im Fußball hat sicherlich eine kritische Grenze erreicht. Amerikanische Verhältnisse, wo Halbzeiten mit Werbeblöcken mehr Zeit als das Spielgeschehen einnehmen, will - glaube ich - in Deutschland kein Fan. Entscheidend wird immer sein, dass auf dem Platz eine ehrliche Leistung abgeliefert wird. Dass die Honorierung dabei außerhalb des für den Normalbürger Vorstellbaren und auch Nachvollziehbaren liegt, wird sich in naher Zukunft wohl nicht ändern. Dazu fließt zuviel Geld in das Geschäft Fußball. Und die Menschen lieben ihn - nach wie vor.
Was ist Ihnen lieber: 1860 als sympathischer Stadtteilverein oder erfolgreicher Erstligist?
Ich bin jetzt 51 Jahre alt und träume davon, mit Sechzig noch einmal nach Schalke, Dortmund oder Mönchengladbach fahren zu dürfen. Und dass mein kleiner Sohn das Derby gegen die Roten sehen kann. Erfolgreicher Erstligist und sympathischer Stadteilverein schließt sich im übrigen nicht aus, wenn man an Schalke 04 denkt. Auch St. Pauli möchte wieder in die erste Liga.