VON OLIVER GRISS

Natürlich hat Fußball-Abteilungsleiter Roman Beer die Bühne bei der Versammlung im “Zunfthaus” auch dazu genutzt, um sich vor 90 Mitgliedern in Szene zu setzen. Was man dem Architekten lassen muss: Der 38-Jährige kann sich artikulieren und mit Worten jonglieren, was ja bekanntlich nicht jedermanns Sache beim TSV 1860 ist. Wo Beer bei seiner Präsentation aber komplett daneben lag: “Wir sind auf dem gleichen Niveau wie in den Jahren zuvor. Bei uns findet keine Selbstbeweihräucherung statt.” Richtig ist: Der TSV 1860 hat in diesem Jahr wieder drei Sterne für ausgezeichnete Jugendarbeit bekommen, was Beer bei seinen Ausführungen aber verschwieg: Die ehrenvolle Bewertung basiert auf einer Drei-Jahres-Wertung. Weil die Löwen 2017 den bitterbösen Jahrhundertabstieg erlebten, gab der DFB dem TSV 1860 ein Jahr zum Verschnaufen.

Die Realität ist leider eine andere: Der 1860-Jugendbereich kränkelt. Stand die U19 beispielsweise im Jahr 2016 mit den heutigen Bundesligaprofis Felix Uduokhai (Wolfsburg), Kilian Jakob (Augsburg), Florian Neuhaus (Mönchengladbach) oder Alexander Fuchs (Nürnberg) noch im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft gegen den späteren Meister Borussia Dortmund, spielen die U19 und U17 aktuell nur noch zweitklassig. Und beide Mannschaften müssen aufpassen, dass sie nicht schon vorzeitig wieder ihr Saisonziel, den Bundesliga-Aufstieg verpassen. Auch in den unteren Altersklassen hat das Niveau deutlich nachgelassen - einzig die U15 spielt in der höchsten Spielklasse (Regionalliga) als Tabellendritter eine ansprechende Rolle. In der NLZ-Nachwuchsrunde der U13 liegen die Blauen auf dem letzten Platz - mit einem Punkt aus acht Spielen.

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Umfrage endete am 27.11.2018 11:00 Uhr
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4% (86)

Teilnehmer: 2151

Hinzu kommt, dass nicht nur Talente und ein gutes Scouting fehlen, sondern auch erfahrene, überdurchschnittliche Trainer: In den letzten zwei Jahren haben die Löwen mit Sepp Steinberger, Franz Leder und Thomas Hahn drei Top-Übungsleiter verloren, nachgerückt sind meist nur junge Trainer. Und auch die Räumlichkeiten im NLZ, vor allem Kabinentrakt und die Duschräume, sind nicht mehr auf dem neuesten Stand. Und viele Eltern haben Probleme, das teure Hobby ihrer Jungs beim TSV 1860 zu unterstützen. Sie müssen einen nicht kleinen Anteil der Jugendförderung mit übernehmen bei Fahrten ins Trainingslager oder Ausrüstung.

Um aber mit der Konkurrenz aus Unterhaching, Ingolstadt oder Regensburg mithalten zu können, benötigt es neue, kreative Wege an der Grünwalder Straße. Immerhin genießt die Jugend dank der Investionen von Hasan Ismaik im Jahr 2016 neue Rasenplätze und eine Fitnesshalle - und zwar von der U21 bis runter in die U9.

Die Löwen sollten sich eines merken: Es reicht nicht aus, an die Mauern vor dem NLZ-Gebäude das Grünwalder Stadion hinzupinseln. Es braucht Visionen und Gelder, damit der Verein wieder an Qualität im Jugendbereich zulegt. Merke: Ohne Unterbau keine Zukunft. Jetzt müssen Taten folgen, damit der TSV 1860 seinem Ruf der excellenten Nachwuchsförderung gerecht wird.