"Ein Leben im Ausnahmezustand": Gegenwind für Stadion-Pläne des TSV 1860
- VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
- 16.11.2018 08:39
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VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
1860-Verwaltungsrat Dr. Markus Drees, wohnhaft in Neufahrn bei München, dürfte bei der gut besuchten Bürgerversammlung am Donnerstagabend in der ungeliebten Säbener Straße genau hingehört haben, wie der Großteil der Bürger im Stadtteil Giesing tickt. Natürlich, die 200 Anwesenden sind nicht unbedingt repräsentativ, doch sie lassen erahnen, wie die Grundstimmung im Viertel tatsächlich ist - und die Mehrzahl davon hat sich deutlich gegen einen weiteren Ausbau bzw. Umbau des Grünwalder Stadions ausgesprochen. Der Grund: Lärm, Wildbieseler, pöbelnde Fans, Straßensperren und eine viel zu aggressive Lautsprecheranlage. “Mein Antrag ist kurz und bündig: Kein weiterer Ausbau im Stadion an der Grünwalder Straße”, erklärte der 92-jährige ehemalige Bundesliga-Schiedsrichter Franz Hager, der zudem Mitglied beim TSV 1860 ist.
Und ein Anwohner, der aus Angst seinen Namen geheim halten wollte, schildert sein Leben rund um das Grünwalder Stadion: “Ich bin massiv betroffen. Es geht um dieses hochemotionale Thema Grünwalder Stadion. Ich würde gerne meinen Namen nennen, aber ich habe keine Lust, freundlichen Besuch zu empfangen. Ich weiß, dass meine Meinung vielen nicht gefällt: Mein Antrag ist, die Erhöhung der Stadion-Kapazität unbedingt zu unterlassen, idealerweise keine Drittligaspiele mehr im Grünwalder Stadion auszutragen.” Exemplarisch für seinen Frust nimmt Mister X das letzte Heimspiel gegen Halle her: “Wir Anwohner haben ein Leben im Ausnahmezustand: Die Grünwalder Straße war Höhe Wettersteinplatz komplett stundenlang gesperrt, es gab keinen Autoverkehr, die U-Bahn fuhr nicht, hochaggressive Gästefans - ich wollte Fotos machen, ich wurde angegriffen…”
Und Rechtsanwalt Clemens Baumgärtner, Vorsitzender des Bezirksausschusses 18, meinte: “Ich bekomme verstärkt Briefe von Anwohnern, die mit der Situation alles andere als zufrieden sind. Das gilt sowohl für die Lärmbelästigung, sondern auch für den An- und Abfahrtsverkehr, zu Fuß, mit dem Auto, mit den Bussen. Busse werden nach mehreren Stunden Fahrt ausgeladen - und da möchte sich der ein oder andere doch erleichtern: Das geschieht meist in Grünanlagen. Die Anwohner können zum Zeitpunkt der Spiele nicht ein- und ausfahren, müssen ihre Fahrzeuge bereits um 9 Uhr in der Früh weggeparkt haben, dass sie nicht abgeschleppt werden. Das sind Situationen, die wir im Bezirksausschuss nicht gut finden. Die Beschwerden der Anwohner nehmen wir sehr ernst.”
Lob gab’s aber von der Polizei, vor allem für die Löwen-Fans. Alfred Hauck, Polizeidirektor von Giesing, sagte: “Aus polizeilicher Sicht können wir mit den bisherigen Spieltagen, im Vergleich im fußballerischen Bereich, zufrieden sein. Die Sicherheitslage haben wir im Griff. Die Heimfans gehen - im Fußballverhältnis - sehr achtsam mit ihrer Umgebung um.” Was viele Ahnwohner freilich komplett anders sehen.
Ganz klar: Die Bürgerversammlung ist ein Dämpfer für die Stadion-Freunde, die die langfristige Zukunft des Drittligisten TSV 1860 auf Giesings Höhen sehen. Welche Macht die Bürger haben, sieht man an einem Beispiel in Würzburg: Sieben Anwohner beschwerten sich über die Abendspiele der Kickers. Seitdem dürfen die Heimspiele nicht mehr später als 19.30 Uhr angepfiffen werden. Auch Giesing drohen härtere Auflagen.Die Stadt München, allen voran OB Dieter Reiter, muss jetzt für Klarheit sorgen. Schnell.