Olaf Bodden im db24-Interview: "Wenn 1860 Bierofka auf Dauer keine Perspektive aufzeigt, dann kannst du ihn nicht halten"
- VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
- 03.03.2019 11:27
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VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (MIS)
dieblaue24: Erstmals seit 25 Jahren gastiert Hansa Rostock wieder im Grünwalder Stadion (heute, 13 Uhr, dieblaue24-Liveticker): Herr Bodden, Sie stürmten damals noch für Hansa. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Spiel?
OLAF BODDEN: Ich habe damals noch auf der anderen Seite gespielt und mit Hansa 2:1 bei 1860 gewonnen. Ich habe ein Tor vorbereitet und den zweiten Treffer selbst erzielt - es war die Phase, in der 1860 in der Zweiten Liga eine Negativserie hatte. Zum Glück sind die Löwen am Ende in die Bundesliga aufgestiegen. Auch das Hinspiel hatten wir übrigens gewonnen: Mit 4:0! Ich habe drei Tore erzielt.
Damit konnten Sie bei 1860 mächtig Eindruck schinden. Werner Lorant hatte Sie dann ein paar Monate später verpflichtet.
Eigentlich wollte er mich mit Jens Dowe schon im Sommer holen, aber Werner sagte zu mir: ‘Wir haben kein Geld, wir können dich erst holen, wenn wir im Olympiastadion Geld verdienen.’ Und nach ein paar Spielen im Olympiastadion hatte 1860 Geld, um mich zu finanzieren. Mit den Einnahmen aus dem Grünwalder Stadion hätte 1860 nie eine große Mannschaft aufbauen können. Nach vier Spielen im Olympiastadion ist die Mannschaft zurück ins Grünwalder Stadion - danach haben wir fast kein Spiel mehr verloren.
Ihr Wechsel zu 1860 war spannend…
Es war eine Nacht-und-Nebel-Aktion. Weil wir im Osten damals kein Telefon hatten, hatte ich mit Werner Lorant in der Telefonzelle in Graal-Müritz, einem Ort rund 30 Kilometer von Rostock entfernt, alles klar gemacht. Am nächsten Tag bin ich in Hamburg in den Flieger gestiegen und nach München geflogen. Ich bin bei 1:15-Punkten gekommen, danach haben wir eine tolle Serie hingelegt und den Klassenerhalt eingetütet.
Wem drücken Sie heute die Daumen?
Ich freue mich auf dieses Spiel. Ich gehe davon aus, dass 1860 mit 2:1 gewinnt. Die Löwen haben einen kleinen Lauf und Hansa schwächelt ein wenig. Ich mag beide Vereine sehr, aber mein Herz gehört 1860. Dort hatte ich als Profi meine erfolgreichste Zeit.
Zuletzt hat der umstrittene Präsident Robert Reisinger in einem öffentlichen Statement davon gesprochen, dass die letzte große Zeit von 1860 53 Jahre zurückliegt. Fühlen Sie die Zeit unter Werner Lorant nicht richtig honoriert?
1860 hat über ein Jahrzehnt in der Bundesliga gespielt - mit Uefa-Cup und Champions League-Qualifikation. Dazu das Hallenmasters gewonnen, das damals einen großen Stellenwert hatte. Wenn das keine erfolgreiche Zeit war, dann weiß ich es auch nicht. Natürlich sind wir nicht Deutscher Meister geworden, aber das war auch nicht der Anspruch des Vereins. Aber ich kann die Aussagen von Reisinger, wenn er denn dann mal etwas sagt, eh nicht so ernst nehmen…
Wenn Reisinger redet, dann jammert er nur
Warum nicht?
Ich kann mit dem nicht so viel anfangen. Wenn Reisinger redet, dann jammert er nur. Er soll endlich bei 1860 anpacken, Sponsoren aktivieren und 1860 zu einem Verein machen, der profitabel und sportlich erfolgreich ist. Bei ihm hat man immer das Gefühl, ihm ist es egal, ob 1860 Dritte Liga, Regionalliga oder Bayernliga spielt - so nach dem Motto: Wen juckt die erste Mannschaft eigentlich? Der Profi-Fußball scheint ihn nicht groß zu interessieren. Ihm scheint das Stadion wichtiger zu sein als der Sport. Wie ehemalige Fußballer von 1860 denken, ist ihm scheißegal. Das spricht für sich.
Ist das der Grund, warum Reisinger bei den Ehemaligen von 1860 keine Fürsprecher für seinen Kurs findet?
Wahrscheinlich. Für einen Sportler haben immer Höchstleistungen Priorität, nicht die Politik. Das Ziel für 1860 muss immer die Erste Liga sein, alles andere ist lachhaft. Der Verein hat momentan kein Geld, also ist es der Auftrag des Präsidenten, Geld anzuschaffen. Wenn er das nicht kann oder will, dann muss er andere ranlassen. Ich spüre bei diesem Präsidenten nichts Professionelles. 1860 braucht aber einen Präsidenten, der vorne weg marschiert, die Richtung vorgibt und Klinkenputzen kann. Aber Reisinger versteckt sich gerne in der Opferrolle. Bei 1860 ist es wie in der Politik: Keiner übernimmt Verantwortung, das ist einfach nur traurig. Ich sehe keinen Plan bei 1860: Was ist mit der Jugend? Wo ist ein gutes Scoutingsystem? Wo sind Sponsoren? 1860 ist ohne Ende attraktiv, aber es passiert nichts.
Von Luft, Liebe und Grünwalder Stadion lässt sich nicht leben
Jetzt hat Reisinger 1860 einen knallharten Konsolidierungskurs verschrieben: Richtig?
Sparen ist immer gut, aber bitte nicht in der Dritten Liga. Will 1860 für immer in dieser Dorfliga spielen? Mit einem Etat von drei Millionen Euro landest du im hinteren Mittelfeld der Tabelle - zwischen Platz 10 und 12. Natürlich kann es immer mal wieder Überraschungen geben - siehe Haching. Aber das ist schon eher eine Seltenheit. Geld garantiert keinen Aufstieg, aber es ist gut, Geld zu haben. Ich glaube nicht, dass die Zuschauer über Jahre keinen sportlichen Erfolg wollen - irgendwann wird der Fan wegbleiben. Von Luft, Liebe und Grünwalder Stadion lässt sich nicht leben.
Es macht den Eindruck, dass Reisinger es genau anders machen will als der unvergessene Ex-Boss Karl-Heinz Wildmoser…
Das kann sein. Aber Wildmoser hatte im Gegensatz zu Reisinger alles unter Kontrolle: Geschäftsstelle, Mannschaft, Sponsoren - er war ein Alphatier. Seine Kritiker sagen: Er war größenwahnsinnig. Das sehe ich anders: Er wollte Erfolg. Ist das so schlimm? Wenn wir 2004 nicht abgestiegen wären, hätten wir uns die Arena locker leisten können.
Wir haben uns immer ein Stadion mit dem FC Bayern geteilt
Viele Fans sind aber glücklich, nicht mehr mit dem FC Bayern in einem Stadion zu spielen.
Wer die Geschichte von 1860 kennt, weiß: Wir haben uns immer ein Stadion mit dem FC Bayern geteilt. Jetzt sind wir wieder im Grünwalder Stadion - mit den Bayern-Amateuren. Das Stadion gehört der Stadt, wir sind dort auch nur geduldet und zahlen Miete. Aber können wir Geld zur Seite legen? Nein! Natürlich ist die Atmosphäre im Grünwalder Stadion toll, aber es ist kein Stadion für die Zweite Liga. Oder glauben Sie, dass jemand 5000 Euro für eine VIP-Karte bezahlt, aber das Spiel nicht richtig sehen kann, weil ihm ein Betonpfeiler im Weg steht?
Schafft 1860 den Klassenerhalt?
Als wir gegen Aalen bis kurz vor Schluss 0:1 zurücklagen, dachte ich: Jetzt spielen wir gegen den Abstieg! Jetzt bin ich aber froh, dass wir zweimal in Folge gewonnen haben. Jetzt kann man die Saison einigermaßen ausklingen lassen, 1860 packt das. Aber den Spielern sollte auch bewusst sein: Wenn ich nicht aus der Dritten Liga rauskomme, dann muss ich nach der Karriere wieder arbeiten.
Ein großes Thema bei 1860 ist auch Investor Hasan Ismaik: Wie sehen Sie ihn?
Ich sehe das ganz nüchtern: Als sich Ismaik jahrelang nicht eingemischt hat, hat’s bei 1860 wie vorher auch nicht funktioniert - und als er das Ruder übernommen hat, sind wir auf die Schnauze gefallen. Ein Wahnsinn war die Zeit mit Thomas Eichin. Der hat mit Sebastian Boenisch einen kaputten Spieler für das Monatsgehalt von 80.000 Euro verpflichtet. Das war vereinsschädigendes Verhalten. Mich wundert es nicht, dass Ismaik danach den Daumen gesenkt hat und ihn entlassen hat. Leider wurde es danach nicht besser und plötzlich wurde bei 1860 nur noch Englisch gesprochen. Das war ein Eigentor! Ich kann immer nur wieder betonen: Wen man nicht zusammenarbeitet, wird man nie was erreichen.
Bierofka ist nicht der Typ Mensch, der als Drittliga-Trainer in die Rente gehen will
Mit Daniel Bierofka hat 1860 zumindest wieder eine Identifikationsfigur als Trainer.
Daniel ist ein junger Trainer, der ganz am Anfang seiner Karriere steht. Ich behaupte: Wenn ihm 1860 auf Dauer keine Perspektive aufzeigt und die ersten Angebote aus der Zweiten Liga kommen, dann kannst du ihn nicht halten. Er ist nicht der Typ Mensch, der als Drittliga-Trainer in die Rente gehen will. Wenn man Bierofka mit dem eingeleiteten Sparkurs nichts bietet, braucht keiner böse sein, wenn er 1860 verlässt.
Sie werden diese Frage nicht mehr hören können: Aber was macht die Gesundheit?
Es ist alles beim Alten. Man gewöhnt sich über die Jahre daran und sagt sich: Jetzt muss ich damit leben! Mehr will ich darüber auch nicht mehr sagen.