VON OLIVER GRISS

15 ehemalige Erstligisten, fünf bayerische Klubs, große finanzielle Power andernorts - wenn man die kommende Drittliga-Saison (Start 19. Juli) aus 1860-Sicht positiv verkaufen will, dann deswegen, dass es in dieser Monsterliga zu vier prestigeträchtigen Derbys kommt und das Grünwalder Stadion hier mit Sicherheit ausverkauft sein wird. Dazu entlastet die räumliche Nähe zu den vier bayerischen Vereinen etwas das Reisebudget der Sparlöwen.

Eigentlich hätten die Bosse des TSV 1860 gegenüber ihren treuen Fans eine Verantwortung, ihre Mannschaft in der stärksten Dritten Liga aller Zeiten konkurrenzfähig aufzustellen, zumal die Erhöhung der Eintrittspreise in keinem Verhältnis zur aktuellen Kaderqualität steht. Weil der Mitgliederrabatt zur neuen Saison wegfällt, kostet eine Sitzplatzkarte für die Gegengerade statt 380 Euro nun 460 Euro. Das entspricht einer Preissteigerung von rund 21 Prozent. Doch vom Premiumprodukt Sechzig wird - Stand jetzt - auf dem Rasen wenig ankommen. Unverändert sind die Löwen auf dem Transfermarkt weiterhin handlungsunfähig und aufgrund der engen Kaderdecke mit dem Budget von drei Millionen Euro dementsprechend Abstiegskandidat Nummer 1. Eine Situation, für die weder die sportliche Kommandobrücke noch Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik etwas können: Der Kader wurde unter anderen Voraussetzungen zusammengestellt.

Was sind die Namensrechte am NLZ des TSV 1860 pro Saison wert?

Umfrage endete am 12.06.2019 10:00 Uhr
Über 500.000 Euro
49% (1157)
500.000 Euro
18% (420)
100.000 Euro
13% (310)
300.000 Euro
12% (273)
400.000 Euro
5% (122)
200.000 Euro
4% (85)

Teilnehmer: 2367

Finanz-Geschäftsführer Michael Scharold, der von Präsident Robert Reisinger im Januar 2018 per 50+1-Regel eingesetzt wurde, hat zwar die Verantwortung für die Fehlkalkulation übernommen, doch hilft dieses Schuldeingeständnis den Löwen nicht weiter. Es fehlt weiterhin Geld für sinnvolle Verstärkungen, auch weil sich der Klub weiter selbst im Weg steht und noch immer nicht erkannt hat, dass der Fußball das ist, was die Löwen bewegt und nicht eine Mitgliederversammlung oder ein merkwürdiges Demokratieverständnis, worüber selbst das Fachblatt “kicker” schon ausführlich berichtet hat. Um 1860 so aufzustellen, um erfolgreich zu sein, reichen nicht ein paar 100.000 Euro, sondern braucht es in erster Linie Weitblick und einen Plan, der nicht von einem ehrenamtlichen Präsidenten korrigiert werden kann.

In der Zweiten Liga würde der TSV 1860 allein rund neun Millionen Euro aus dem TV-Topf kassieren, aktuell sind’s 1,1 Millionen Euro pro Saison. Allein das ist Anreiz genug, die Dritte Liga so schnell wie möglich wieder zu verlassen. Warum bei den Löwen nicht alles unternommen wird, um der Pleiteliga in Richtung Bundesliga-Unterhaus “Servus” zu sagen, ist nur sehr schwer nachzuvollziehen.

Martin Gräfer, Vorstand von Hauptsponsor “Die Bayerische”, gibt sich unterdessen weiterhin als schlauer Ratgeber. “Wie der TSV 1860 müssen auch wir uns mit vergleichsweise begrenzten finanziellen Mitteln gegen größere Wettbewerber auf dem Markt behaupten”, erklärte der Neuperlacher Versicherer gegenüber dem “Wochenblatt”: “Wir sind dabei erfolgreich, weil wir ein hohes Maß an Kreativität an den Tag legen.” Außerdem sagte Gräfer, dass auch die Bayerische - wie 1860 - seinen Mitgliedern gehöre. Manchmal hat man das Gefühl, dass diese Worte mit Präsident Robert Reisinger abgesprochen sind. Auch er verwendete das Wort “Kreativität” unlängst, um Daniel Bierofka und Günther Gorenzel in die Verantwortung zu nehmen und von der eigenen Führungsschwäche abzulenken. Dass es bei 1860 im sportlichen Bereich nicht an Kreativität, sondern im Verein eher an Geld, Netzwerk und Kompetenz fehlt, ist dagegen nicht von der Hand zu weisen.