Gesellschafter-Streit bei 1860: OB Reiter bietet sich als Mediator an
- VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (Foto)
- 25.09.2019 09:45
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VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)
Münchens OB Dieter Reiter nahm sich am Rande des offiziellen Wiesn-Besuchs des Drittligisten am Dienstagabend im “Himmel der Bayern” 14 Minuten für eine kleine Reporter-Runde Zeit, um über den TSV 1860 zu sprechen. Hauptthema: Der Umbau des Grünwalder Stadions. Aber auch auf andere Punkte rund um den Kultklub ging das Stadtoberhaupt ein, auch auf den lähmenden Gesellschafterstreit bei den Löwen. Der sympathische SPD-Politiker sprach über:
den Termin des TSV 1860 im Rathaus in der vergangenen Woche: “Wir haben spannende Gespräche bezüglich des Grünwalder Stadions geführt, auch mit den Fanvertretern der Löwen. Ich denke, das waren alles sehr vernünftige Gespräche. Die Sechzger haben auf jeden Fall meine Unterstützung, weiter auf Giesings Höhen Fußball zu spielen. Wir haben den Fans erklärt, warum das mit der Zuschauerzahl von 18.060 einfach so ist. Die Vereinsspitze hat das sowieso verstanden - und ich habe gute Hoffnung, dass die Fanvertreter das nach zwei Stunden Diskussion nach Frage- und Antwortmöglichkeit jetzt auch respektieren, warum es so ist wie es ist. Ich bin sehr zufrieden, wenn es möglich ist, dass die Sechzger weiter im Grünwalder Stadion spielen können. Wir werden für die Zweitliga-Tauglichkeit sorgen, jetzt müssen die Sechziger nur noch dafür sorgen, dass sie in der Zweiten Liga spielen.”
die Wirtschaftlichkeit für den TSV 1860 im Grünwalder Stadion: “Das ist jetzt nicht primär meine Sorge als Münchner Oberbürgermeister. Da hätte ich viele Sorgen bei rund 1000 Amateursport-Vereinen. Ich versuche, zusammen mit den Sechzgern, Brücken zu bauen, wie man auch in einem Grünwalder Stadion wirtschaftlich über die Runden kommen kann. Wir hatten Bundesliga-Vereine, die hatten keine größeren Stadien - ich darf an Freiburg erinnern (der Sportclub zieht demnächst aus wirtschaftlichen Gründen in einen Stadion-Neubau, d. Red.). Wie das Stadion letztlich aussieht, welche Arten von Seats es da geben kann, das besprechen wir gerade. Wirtschaftlichkeit ist jetzt nicht nur die Platzzahl, sondern hängt ja auch von Vermarktungsmöglichkeiten ab. Und da sind wir in einem guten Gespräch mit den Sechzigern und ich hoffe, dass es dem Verein tatsächlich gelingt, mit ein paar 1000 Zuschauer mehr wirtschaftlich auf die Beine zu kommen. Aber zum wirtschaftlichen Überleben gehört - verdammt noch mal- auch sportlicher Erfolg. Da kann ich nicht mitspielen und den Sechzgern helfen (lacht).
die Überbrückungszeit in der Umbauphase: “Das ist eine ganz große Frage, über die wir uns auch lange unterhalten haben. Viele Optionen gibt es tatsächlich nicht. Dantestadion fällt raus, über die Allianz Arena haben wir gar nicht diskutiert. Wir haben auch übers Olympiastadion diskutiert - aber hier ist es so, dass ALLE Fanclubs unisono gesagt haben, da wollen sie nicht spielen - und dann bleibt nur noch Manni…Es gibt Gespräche zwischen Sechzig und Unterhaching, was ich gehört habe. Die Vereine kennen sich ja durchaus. Und wenn es für die Vermittlung mal bedarf gibt, bin ich gerne bereit, Gespräche zu führen. Ich glaube, das ist tatsächlich die realistischte Variante, dass die Sechziger für ein, zwei Saisonen in Unterhaching spielen. Weil andere Standorte, über die diskutiert wurden, sind relativ weit weg von München: Augsburg fällt aus, aus naheliegenden Gründen, die alle Sechzger kennen. Regensburg und Ingolstadt wurde diskutiert, aber ist ganz schön weit weg. Wenn man sich mit Unterhaching vereinbaren könnte, wäre das wahrscheinlich die geschickteste Lösung.”
seinen eigentlichen Standort-Favoriten Olympiastadion: “Ich habe beiden Seiten der Sechziger, sowohl Reisinger als auch dem Investor mehrfach gesagt. Es nicht ganz trivial, weil wir auch beim Olympiastadion schauen müssen, wenns um Zweitligatauglichkeit geht. Dann müssten wir tatsächlich mehr Dinge tun als wir jetzt machen. Weil wir bauen in ein Stadion, das keinen Fußballbetrieb hat. Und wir bauen jetzt keine Rasenheizung rein, weil die brauchen wir für unsere Openair-Konzerte logischerweise nicht, bräuchte sie aber, wenn man Zweite Liga spielen will. Und es bräuchte auch diverse Ausnahmen, weil die Gegengerade im Olympiastadion bekanntlich nicht überdacht ist, aber es in der Zweiten Liga die Auflage gibt, dass alle Plätze überdacht sein müssen. Also das ist auch nicht ganz einfach. Aber eines werde ich nicht tun. Ich werde nicht gegen den erklärten Willen ALLER Sechzger-Fans, den Löwen das Olympiastadion aufs Auge drücken. Ich hatte die 12 Fanclub-Vertreter der großen Fanclubs bei mir - und ich hatte ein klares Commitment: ‘Nein, wir gehen nicht ins Olympiastadion!’”
den Zeitplan für den Umbau: “Wir haben eine Zeitschiene, die wir mit den Sechzgern besprochen haben. Das nächste, was wichtig ist, dass nächstes Jahr vor der Sommerpause der Stadtrat dann sagt, wir bauen das Sechzgerstadion um und zwar unter Kenntnis dessen, was es auch kostet - und wer diese Kosten zu tragen hat. Die nächste wichtige Entscheidung ist nächstes Jahr im Sommer. Wenn der Stadtrat dann mehrheitlich beschließt, dass das Stadion umgebaut wird, dann geht’s tatsächlich los. Der Umbau wird dann ein, zwei Jahre dauern, eher zwei Jahre als ein Jahr. Es ist wohl auch so, dass das nicht im laufenden Betrieb geht, weil wenn man eine Tribüne abreißen muss, kann sich keiner vorstellen, wie man das im Spielbetrieb macht. Man muss mit einer zweijährigen Bauzeit rechnen, realistisch gesehen ist der Umbau dann 2023/2024 fertig. Wir haben vor allem eine große Öffentlichkeitsarbeit und Öffentlichkeitsbeteiligung und wir können für die Sechzger quasi nur hoffen, dass es möglichst wenig Klagen und Einwände gibt - und die dann auch schnell entschieden werden. Das liegt nicht in der Hand der Stadt oder der Sechzger, sondern in der Hand der Gerichte, ob die Einwände gerechtfertigt sind. Es wird auf jeden Fall spannend.”
ein Stadion-Umbau im möglichen Abstiegsfall des TSV 1860: “Ich bin ja bekanntlich ein Bayern-Fan, aber dass ich über 1860 als Regionalligist sprechen würde, liegt mir dann doch fern. Ich glaube nicht, dass die Sechzger absteigen werden. Ich glaube, dass sie sich tatsächlich in der Dritten Liga halten und irgendwann wieder ein bisschen weiter oben spielen werden. Deswegen haben wir uns nicht über das Thema unterhalten oder mache mir darüber Gedanken. Wir werden dieses Stadion so bauen, dass es auf jeden Fall zweitliga-tauglich ist. Alles andere macht ja keinen Sinn.”
den aktuellen Mietvertrag für das Grünwalder Stadion inklusive Nebengeräusche MVV, VIP-Hütte (1860 zahlt rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr) und die aktuelle Nachverhandlung: “Das Wort Geschäft im Zusammenhang mit dem TSV 1860 ist ein schwieriger Zusammenhang. Wir haben noch nie mit dem TSV 1860 ein Geschäft gemacht. Das wird auch, so fürchte ich, viele Jahre so bleiben. Wir haben auch darüber gesprochen, wie man den Sechzger bei den laufenden Kosten unter die Arme greifen kann. Aber das ist was, wozu ich mich nicht in der Öffentlichkeit äußern werde. Ich bin ein Roter, komme aber aus einer blauen Familie. Ich weiß, was in den Sechzgern vorgeht. Wir als Stadt werden den Hardware-Teil liefern, die Sechzger müssen den sportlichen Teil liefern, sonst können wir ihnen nicht helfen.”
das Münchner Derby (das letzte Bundesliga-Duell war im Jahr 2004): “Ich bin ein glühender Fan von echten Münchner Lokalderbys. Ich erinnere mich, in meiner Familie war es immer zwei zu zwei: Zwei Blaue gegen zwei Rote. Das waren Sensationsnachmittage - und da ging’s noch um Punkte. Wenn es wieder Lokalderbys geben würde, das wäre ein Traum - aber auch ein Traum für jeden Bayern-Fan, aber auch für jeden Sechzger, wenn es endlich mal wieder auf Augenhöhe Derbys geben würde. Da müssen die Sechzger allerdings noch kräftig nachlegen, wenn man ehrlich ist. Ich wünsche 1860, dass sie in diesem Jahr nicht wieder gegen den Abstieg spielen, sondern sich irgendwann mal konsolidieren. Ich habe dem Reisinger gesagt: Wenn 1860 in die Zweite Liga aufsteigt, dann können wir uns gerne über einen Balkonauftritt unterhalten.”
die fehlende Einigkeit bei Münchens großer Liebe: “Was man dem Verein verdammt nochmal wünschen muss, ist, dass es irgendwann den einen TSV 1860 München gibt. Nicht immer zwei, denn da tue ich mir als Stadtspitze auch schwer. Es war unter Karl-Heinz Wildmoser auch teilweise geteilt, aber nicht so deutlich, dass man sich alle zwei Tage in den Medien gestritten hat. So, wie man es jetzt hat, ist es auch für die Spieler keine einfache Sache, wenn man nie weiß, wer hat im Moment gerade das Sagen. Das ist keine gute Voraussetzung, um einen spannenden Fußball zu spielen - und vor allem erfolgreich zu sein. Das ist mein Appell an Robert Reisinger, aber auch an die andere Seite: Könnt ihr nicht irgendwann eure kleinen Scharmützel intern klären und dann nach außen, den Fans und Mitgliedern gegenüber, mit einer Stimme sprechen?”
sein Angebot als Mediator, um zwischen den Gesellschaftern bei 1860 zu vermitteln: “Das würde ich gerne tun, aber es ist tatsächlich ziemlich schwierig. Ich habe mit beiden Seiten sehr viele Gespräche geführt, da sind schon Gräben, die nicht so einfach zuzuschütten sind. Das ist alles nicht so einfach, weil ich auch als Spieler nicht weiß: ‘Spiel ich überhaupt nächste Woche noch, wenn mich der eine auf die andere Seite schiebt?’ Ich habe selbst jahrelang erfolglos Fußball gespielt, aber sowas hört niemand gerne.”