VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Der Derby-Triumph über den FC Bayern, als der blutjunge Thomas Riedl am 27. November 1999 mit seinem fulminanten 1:0-Siegtor zum Helden aufstieg, bleibt unvergessen. Auch 20 Jahre danach wird im Löwen-Lager über diesen Moment für die Ewigkeit geschwärmt. Wir haben uns mit dem damaligen Abwehrspieler Holger Greilich (von 1995 bis 2002, 114 Spiele für die Löwen) zum Interview getroffen. Der gebürtige Mainzer stand seinerzeit kurz vor einer Berufung in die deutsche Nationalmannschaft. Heute lebt der 48-Jährige in Ottobrunn - mit dem Fußball hat er so gut wie abgeschlossen.

20 Jahre später: Herr Greilich, welche Erinnerungen haben Sie noch an dieses Highlight?

HOLGER GREILICH: Ich hatte vorher schon ja ein paar Derbys gespielt - und meist auf die Schnauze bekommen. In der Saison 1999/2000 war auf einmal alles anders: Wir hatten beide Derbys zu unseren Gunsten hingebogen. Was mich damals am meisten freute: Jeder Blaue durfte auch mal blau sein (lacht). Die Auswirkungen auf diesen Sieg in der Stadt waren toll: Wir hatten mit unseren Leistungen dafür gesorgt, dass eine neue Fangeneration herangewachsen ist. In den Schulklassen hast du nicht gehört, wenn du ein Löwen-Trikot an hattest: “Hey, was willst du mit dem Scheiß?” Das hat mich stolz gemacht. Die Kids sind in unseren Trikots rumgelaufen. 1860 war plötzlich eine kleine Macht in München. Heute ist 1860 von Bayern Lichtjahre entfernt, so wie die Sonne von der Erde. Das tut verdammt weh. Zum Glück habe ich eine ganz andere Zeit erleben dürfen.

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Wildfremde Menschen umarmten sich damals auf den Rängen, um ihre Begeisterung auszuleben, den großen Favoriten besiegt zu haben…

Mein Sohn Calvin sagt immer: “Papa, lass uns das Derby mal in ganzer Länge anschauen”… Die Minuten nach dem Abpfiff waren gigantisch. Wir Spieler wollten nicht mehr vom Platz runter. Wir haben das einfach genossen. Das war geil. Marco Kurz hat eigentlich nur noch geweint: Zum einen, weil wir die Bayern in die Knie gezwungen haben, zum anderen weil er in der Nacht auf das Spiel Vater geworden ist. Das waren ergreifende Szenen. Und ich bin heute noch sehr froh darüber, dass Thomas Riedl der Ball über den Schlappen gerutscht ist (lacht). Hätte Riedl mit dem Spann geschossen, hätte Oliver Kahn vermutlich die Kugel gehalten. Nachdem wir noch lange im Stadion waren, sind wir dann zurück ins Mannschaftshotel. Von dort sind wir dann in die Nacht aufgebrochen. Ich könnte alle Namen nennen, die dabei waren, aber das behalte ich lieber für mich (lacht).

Umso enttäuschender ist für viele Löwen, dass kein einziger aus dieser unvergessenen Zeit im Verein fest integriert ist.

Mich wundert in diesem Verein gar nichts mehr. Was ist aus dieser großen Marke geworden? Der Verein pflegt seine Tradition nicht - und wenn ich mir teilweise die Namen der Traditionsmannschaft ansehe, kann ich mich nur noch wundern: Da hüpfen Leute mit, die für 1860 nie wirklich richtig gespielt haben. Leider zeigt der Verein ein Bild, das mir fremd ist. Es ist auch nie von Seiten des Vereins etwas organisiert worden, dass unsere Generation, die nicht so unerfolgreich war, miteinander vernetzt wird.

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Mit Trainer Daniel Bierofka ging vor drei Wochen die letzte 1860-Ikone.

Ich bin ja nicht so nah dran, aber es hat keiner verstanden, warum sich Biero stil und leise vom Acker gemacht hat. Und dass der Verein vor der Trennung thematisiert, dass er einen guten Vertrag hatte, finde ich doch recht amüsant: Der Verein hat ihm diesen Vertrag gegeben - und Geld wird überall bezahlt.

Ismaik ist ein Geschenk des Himmels

Ein Streitthema bei 1860 ist Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik.

Ich habe dazu eine klare Meinung: So einen Mann musst du als 1860-Vorstand integrieren. Vielleicht pumpt er nochmal 20 Millionen Euro in den Verein. Auch wenn einige Fans schimpfen, “den Ismaik brauchen wir nicht”, sage ich ganz klar: Ismaik ist ein Geschenk des Himmels. Würde man mit ihm zusammenarbeiten, wäre 1860 schon wieder in anderen Gefilden. Schaut doch nach England! Es geht nicht mehr ohne Investor. Der FC Bayern ist einer der ganz wenigen Klubs, der das noch anders regeln kann. Die Roten haben aber auch Audi, Adidas und die Telekom. Wenn du erfolgreich sein willst, dann brauchst du flüssig Brot…

Glauben Sie noch an eine positive Zukunft?

Derzeit ist das für mich schwer vorstellbar. Sportlich muss einfach etwas passieren. Du musst wieder in die Regionen kommen, wo der Fußball sehenswert ist. Die Dritte Liga hat mit Verlaub damit wenig zu tun. Klar, es gibt Fans, die würden mit 1860 auch in die 7. Liga gehen - aber das ist nicht mein Verständnis für diesen Verein. Ich kenne 1860 eben als ganz anderen Klub: Erfolgsorientiert und hart arbeitend. Mein Sohn will mit mir immer ins Stadion - dann sage ich zu ihm: Mir tut das schon im TV weh, wie soll ich das dann im Stadion verkraften? 1860 braucht wieder einen, der die Richtung vorgibt. Auch wenn’s vielleicht einige nicht gerne hören: Karl-Heinz Wildmoser war dieses Urviech, der 99 Prozent im Verein mitgerissen hat.