VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Daniel Bierofka hat den TSV 1860 in den letzten drei Jahren im positiven Sinne geprägt wie kein anderer. Als der Klub 2017 in Schutt und Asche lag, blieb der Ex-Nationalspieler da und baute die Löwen in der Regionalliga wieder auf. Der Verein stieg sofort wieder auf. Ein neuer Held war geboren. Doch die Freude währte nicht lange: Weil Bierofka immer wieder auf die Unzulänglichkeiten im Verein hinwies, wurden immer wieder interne Nadelstiche gegen den 40-Jährigen gefahren, u.a. hatte das Präsidium Reisinger seinen “gut dotierten Vertrag” in einer Presseerklärung thematisiert. Als sich die Situation im November zuspitzte, warf Bierofka entnervt hin. Die Mannschaft feierte ihn trotzdem - mit einem klaren Statement beim 1:0-Triumph in Halle, als Mölders & Co. symbolisch für den großen Zusammenhalt zwischen Mannschaft und Trainer ein Trikot mit der Aufschrift “Danke Biero!” in die TV-Kamera hielten, was im heutigen Profi-Zeitalter nach einem Trainerwechsel eher untypisch ist. So untypisch, dass sich der Mannschaftsrat dazu auch hinterher erklären musste. Das db24-Interview:

db24: Herr Bierofka, Sie haben lange geschwiegen, aber jetzt müssen Sie mal mit einem Gerücht aufräumen: Immer wieder wurde in den letzten Wochen lanciert, dass Sie aus gesundheitlichen Gründen beim TSV 1860 hingeworfen hätten. Stimmt das?

DANIEL BIEROFKA: Natürlich nicht! Ich habe garantiert nicht aus gesundheitlichen Gründen aufgehört - definitiv nicht! Es gab gravierende Gründe, warum ich aufgehört habe.

Wie bewerten Sie Ihre letzten zweieinhalb Jahre als Löwen-Trainer?

Das Wichtigste ist für mich, wenn man geht, was man als Trainer hinterlässt. Selbst Michael Köllner hat gesagt, dass die Mannschaft in einer sehr guten Verfassung ist oder war. Deswegen bin ich stolz auf diese charakterstarke Mannschaft, dass sie in den letzten Wochen auch so gut performt und auch die Punkte geholt hat. Dementsprechend wünsche ich ihr für das nächste halbe Jahr alles Gute: Ich freue mich über jeden Löwen-Sieg und versuche weiterhin, die Spiele zu verfolgen, soweit es irgendwie geht. Mich würde es wahnsinnig freuen, wenn die Mannschaft in der Endabrechnung weit, weit oben landen würde.

Die Mannschaft ist seit sieben Spielen ungeschlagen. Darf man sich berechtigte Hoffnungen auf Platz 3 machen?

Ich glaube, in der Dritten Liga ist vieles möglich. Nur man muss gucken, dass sehr viele Mannschaften diese Punktzahl haben, um auf Platz 3 zu schielen. Wenn die Serie ausgebaut wird, ist aber alles möglich, zumal auch Spieler wie Quirin Moll oder Nico Karger zurückkommen. Beide werden die Qualität noch einmal nach oben heben. Ich hoffe auch, dass Tim Rieder und Stefan Lex wieder relativ schnell einsteigen können, vielleicht auch Benny Kindsvater. Wenn der Kader beisammen ist, hat man auf jeden Fall die Qualität, anzugreifen.

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Der TSV 1860 muss sich im Sommer vermutlich nach einem neuen Leader umsehen: Sascha Mölders will aufhören, hat genug vom Profifußball. Glauben Sie, dass er noch umzustimmen ist?

Sascha hat sich schon relativ früh entschieden. Wenn man ihn kennt, weiß man, dass es relativ schwer wird, ihn wieder zu überreden. Aber vielleicht schaffen es die Verantwortlichen. Sascha ist momentan in einer Super-Verfassung. Klar ist, er wird bald 35. Es kommt viel darauf an, wie ist seine körperliche Verfassung? Wie fühlt er sich selbst? Ich habe damals auch mit 35,5 Jahren aufgehört, weil es am Morgen schwer war, aufzustehen und das ein oder andere Wehwehchen dazu gekommen ist. Vielleicht schafft man es, ihn zu überreden - vielleicht mit einem Kasten Weißbier (lacht).

Wann sind Ihre nahen Pläne?

Im neuen Jahr bin ich bereit und wieder für alles offen. Wenn es eine schnelle Möglichkeit gibt, werde ich auf jeden Fall schauen, ob die Aufgabe zu meiner Persönlichkeit passt - und dann werde ich auch wieder eine Mannschaft trainieren. Wenn ich warten muss, werde ich auf jeden Fall bei Vereinen hospitieren, um über den Tellerrand hinaus zu schauen und mich fortzubilden. In Deutschland gibt es immer noch sehr gute Trainer. Auch das halbe Jahr bei Vitor Pereira war sehr lehrreich für mich.

Haben Sie wirklich schon mit 1860 abgeschlossen?

1860 war ja kein normaler Job, sondern eine Herzensangelegenheit. Für mich waren die letzten acht Wochen jedenfalls sehr wichtig, um schnell Abstand zu gewinnen, sich selbst zu reflektieren und sich von Sechzig zu lösen, damit ich mich wieder auf neue Aufgaben einlassen kann. Klar ist, ich werde die Zeit bei 1860 nie vergessen, weil die schönen Momente überwiegen.

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Welche zum Beispiel?

Als Trainer: Die Zeit, als ich den Job von Benno Möhlmann übernahm und wir mit drei Siegen hintereinander den Zweitliga-Abstieg vermieden haben. Das hat mich schon sehr geprägt. Und natürlich auch die zwei Aufstiegs-Endspiele gegen Saarbrücken. Das muss man erst einmal erlebt haben, zwei Endspiele für den Verein, wo es um alles ging, weil ich nicht weiß, ob wir ein zweites Jahr in der Regionalliga überlebt hätten. So ehrlich muss man sein. Wenn der Aufstieg nicht gelungen wäre, sieht man ja auch am Beispiel Saarbrücken, wie sehr das eine Mannschaft beeinflussen kann.

Die Leser von db24 haben Sie zum dritten Mal in Folge zum “Löwengesicht des Jahres” gewählt. Was bedeutet das Ihnen?

Das freut mich sehr. Ich war 14,5 Jahre bei 1860 - erst als Spieler und dann als Trainer. Das Entscheidende ist, dass man bei einem Verein etwas hinterlässt und nicht sofort vergessen wird. Als Trainer ist man immer austauschbar, aber wenn sich die Fans an einen positiv erinnern, kann die Arbeit nicht so schlecht gewesen sein…

Was hat Sie bei 1860 im Jahr 2019 am meisten gestört?

Umfrage endete am 12.01.2020 08:00 Uhr
Das Nicht-Verhältnis zwischen beiden Gesellschaftern
28% (3099)
Das provozierte Aus von Trainer Bierofka
18% (1977)
Das Scheichlied & Schmäh-Plakate gegen den Mehrheitsgesellschafter
14% (1508)
Ismaiks Facebookseite
13% (1423)
Konsolidierungskurs - und der dazu fehlende Zukunftsplan für den Sport
13% (1395)
Reisingers PR-Auftritte (u.a. Blickpunkt Sport)
8% (827)
Kostenintensive Pyrotechnik bei 1860
3% (373)
Der Spenden-Aufruf für das Trainingslager
2% (222)
Die ständige Stadion-Diskussion
1% (116)

Teilnehmer: 10940