VON OLIVER GRISS UND BERND FEIL (FOTO)

Der TSV 1860 startet heute gegen Eintracht Braunschweig ins Punktspiel-Jahr 2020 (13 Uhr, dieblaue24-Liveticker) - wir haben mit DFB-Vize Dr. Rainer Koch exklusiv über die Löwen, die Dritte Liga und die Stadionproblematik im Grünwalder Stadion gesprochen. Das db24-Interview:

Herr Dr. Koch, viele Drittliga-Vereine haben Existenzängste. Wie kommen die Klubs an mehr Geld. Wäre die Eingliederung der Liga vom DFB in die DFL eine Möglichkeit?

DR. RAINER KOCH: “Die Eingliederung in die Dritte Liga wird auch nicht dazu führen, dass ein Drittliga-Verein mehr Geld zur Verfügung hat. Die entscheidende Frage ist: Wie kann ich die Einnahmesituation der Klubs verbessern und da haben wir mit den Drittligisten eine Reihe von Veränderungen auf den Weg gebracht. Die Vereine sind stärker mit eingebunden, wir haben einen eigenen Ausschuss gegründet. Die Problemlage als solche ändert sich nicht. Die TV-Gelder, die mit der Dritten Liga erzielt werden, sind halt deutlicher niederiger als in der Ersten Liga.

Aber sind 1,2 Millionen Euro pro Verein wirklich fair und ausreichend? Im Vergleich: In der Zweite Liga gibts schon zwischen 11 und 18 Millionen Euro pro Klub.

Die Schere geht weit auseinander, auch schon innerhalb der jeweiligen Liga, selbst in der Ersten Liga zwischen Union Berlin und dem FC Bayern gibt es einen Riesenunterschied. Das kann man nur ein Stück weit auffangen. Ob die Gelder ausreichen, ist übrigens nur eine relative Frage. Zunächst einmal sieht man in allen Ligen, das Geld ausreichend ist, wenn Vereine nur Geld ausgeben, was sie haben. Aber wir haben natürlich die spezielle Situation, dass Klubs in Ligen zu Hause sind, wo sie aufgrund ihrer fußballerischen Tradition oder ihrer regionalen Bedeutung eigentlich nicht hingehören oder auch selber nicht spielen wollen. Da ist natürlich die Frage: Wie können höhere Investitionen gegenfinanziert werden?

An dieser Frage reibt man sich auch bei 1860 auf.

1860 ist in der Dritten Liga als Verein ganz anders einzuschätzen als ein Drittligist, für den selbst vom eigenen Anspruch die Dritte Liga das Maximum ist. Grundsätzlich: Man kann in jeder Liga mit dem Geld auskommen, was da ist. Das sieht man übrigens auch an den Lizenzierungsarbeiten. Ich bin ja selbst Vorsitzender des Zulassungsbeschwerdeausschusses für die Dritte Liga. Man kann mit dem Geld auskommen, jedoch ist damit nicht immer sichergestellt, dass man damit auch seine Ziele erreicht. Und bei diesen Klubs, die höhere Ziele nachvollziehbarer Weise haben - und Sechzig hat sicher völlig zurecht den Anspruch, den Blick Richtung Zweiter oder Erster Liga zu richten, da ist es natürlich schwierig mit diesen Geldern auszukommen.

Was ist für Sie die Dritte Liga? Eine Ausbildungsplattform?

Es kommt immer auf den Blickwinkel des einzelnen Betrachters an. Die Dritte Liga ist ein Mix aus vielem. Aber wenn man ganz genau hinsieht, stellt sich das in den Regionalligen oder in der Zweiten Liga nicht anders dar. In der Vierten Liga ist das vielleicht noch krasser als in der Dritten Liga. Die Ansätze, aber auch die Konzepte der Klubs sind ganz unterschiedlich. Es gibt natürlich auch in der Dritten Liga Klubs, die mit wesentlich niederigeren Etats als andere arbeiten müssen. Diese verlegen sich prinzipiell sehr stark auf ihre Ausbildungsarbeit, um das ein oder andere Talent zu entwickeln, um es dann zu verkaufen. Und es gibt andere Klubs, die ziehen sich Talente ran, um selbst sportlich zu performen.

Die Attraktivität der Dritten Liga ist auch dank der Live-Berichterstattung der Telekom extrem hoch…

Zunächst: Wir sind hochzufrieden mit der Zusammenarbeit mit der Telekom. Die mediale Wirkung der Dritten Liga ist sehr gut - und das nicht nur wegen der Telekom, sondern auch dank des Bayerischen Fernsehens. Es überträgt auch sehr, sehr viele Spiele und den Fußball in seiner Gesamtheit abbildet. Auch die Montagsspiele kommen beim Zuschauer sehr gut an.

Wirklich?

Ja! Montagsspiele sind schon allein deswegen schwer zu bewerten, weil Fan nicht gleich Fan ist. Ich weise immer wieder darauf hin: Fans sind nicht nur die fußballbegeisterten Zuschauer, die bei der Mannschaft bei Heim- und Auswärtsspielen hinter dem Tor in der Kurve stehen. Deren Interessen sind unheimlich wichtig und da ist stark darauf zu achten, aber Fans sind auch die Hunderttausenden, die am Fernseher die Spiele anschauen. Das darf man bei der Diskussion um Montagsspiele auch nicht übersehen. Es gibt hunderttausende Fans, die sich darüber freuen, wenn am Montagabend ein Fußballspiel in der Regionalliga oder in der Dritten Liga läuft. Umgekehrt bin ich auch einer, der weiß, dass es ohne die Fans im Stadion auch kein schöner Fußball ist. Deswegen muss man bei den Anssetzungen auch die Fahrwege im Blick haben.

Die Dritte Liga ist auch eine große Plattform für Pyrotechnik. Wie bekommt man diese Problematik in den Griff?

Wir haben ja im DFB-Vorstand in den letzten Jahren einvernehmlich klare Regularien beschlossen und die müssen über die Verbandsgerichtbarkeit auch durchgesetzt werden. Wichtig ist Aufklärungsarbeit,insbesondere was passiert, wenn Pyro in engen Zuschauerbereichen gezündet wird, extrem gefährlich ist. Im ersten Schritt sind die Sicherheitsbehörden gefragt. Es ist verboten. Bis jetzt gibt es klare Aussagen von der Politik und den Sicherheitsbehörden. Jeder, der im Fußball Verantwortung hat, hat sich daran zu halten. Ich kann nur appellieren, dass das auch auf Fanseite verstanden wird - und dass wir es endlich schaffen, diesen sinnlosen Streitpunkt im Verhältnis der unverzichtbaren Fußballfans und den ebenso unverzichtbaren Vereinen und Verbänden zu beseitigen.

Erwarten Sie von den Vereinen mehr Sorgsamkeit?

Das ist ein stetiger Prozess. Ich denke, gerade in Bayern ist das besser geworden. Wir haben gezeigt, dass es auch ein gutes Miteinander geben kann. Deswegen bin ich optimistisch, dass wir auf einem guten Weg sind.

Wie sehen Sie die bayerischen Klubs in der Dritten Liga?

Der Blick auf die Tabelle zeigt mir - um mit Sechzig zu beginnen, dass der Weg nach oben kürzer ist als der nach unten. Natürlich ist es richtig, wenn Michael Köllner darauf hinweist, wie groß der Abstand nach unten ist. Das erste Ziel sollte sein, dass man sich in diesem Jahr keine Sorgen um Abstiegsfragen macht. Da ist 1860 auf einem sehr guten Weg. Ich bin jetzt gespannt, wie die Mannschaft aus der Winterpause kommt. Ich bin guter Dinge, dass wir im Grünwalder Stadion weiterhin gute Spiele erleben können.

Und die anderen Vereine?

Unterhaching hat mit Sicherheit das Zeug dazu, die Fühler richtig Zweite Liga auszustrecken. Sie müssen sich nur noch ein wenig stabilisieren. Da waren einige sehr gute Spiele dabei und einige, wo man zurecht Punkte verloren hat. Und ich glaube auch, dass in Würzburg mittelfristig auch mit den ganzen Umstrukturierungen der Weg wieder mittelfristig in die Zweite Liga führen kann. Und bei Bayern II zeigt sich, dass es nicht so einfach ist, mit ganz jungen Spielern sich zu behaupten. Auf der anderen Seite kann das nur der Sinn einer zweiten Mannschaft sein, dass Talente so weiterentwickelt werden, dass sie den nächsten Sprung machen können. Bleibt Ingolstadt: Nach den Jahren in der Bundesliga gehört der Verein unbedingt wieder in die Zweite Liga zurückgehört. Ich lege mich fest, Ingolstadt wird aufsteigen. Ich hoffe, dass wir möglichst viele bayerische Vereine in der Zweiten und Dritten Liga haben.

Diskussionstoff bietet auch immer wieder das Grünwalder Stadion: Für die einen zu klein, für die anderen ein Rückzugsort mit Nostalgiegedanken. Aber die Kultstätte ist nicht zweitliga-tauglich.

Ich bin bekanntlich nicht bei 1860, sondern beim Bayerischen Fußballverband. Darum sollen die Damen und Herren bei 1860 kümmern. Der Verbandspräsident hilft im Hintergrund. Das habe ich immer so gehalten. Das mache ich bei allen bayerischen Vereinen so. Aktuell bin ich mit der Frage befasst: Wie gehen wir damit um, wenn wir im nächsten Jahr drei Münchner Vereine in der Dritten Liga haben, die im Grünwalder Stadion spielen wollen? Da sind wir in guten Gesprächen mit der Stadt. Da müssen wir Lösungen finden. Das ist jetzt vorrangig.

Türk Gücü steigt möglicherweise auf. Dürften drei Münchner Vereine auf Giesings Höhen Drittliga-Fußball anbieten?

Wir werden auf jeden Fall Sorge tragen, dass drei Vereine in der Dritten Liga spielen können. Es gibt keine Regularien, ob vier, fünf oder nur zwei Vereine in einem Stadion spielen dürfen. Aber das muss natürlich alles machbar sein. Wichtig ist, dass wir jetzt die Gespräche nicht stören, sondern alle darauf hinwirken, dass gute Lösungen gefunden werden. Aber ich lege mich fest: 1860 wird weiter im Grünwalder Stadion spielen (lacht).