VON OLIVER GRISS UND CATHRIN MÜLLER (MIS)

Nein, heutzutage gibt es bei 1860 keine Christl Estermann mehr. Die Kult-Wirtin der grandiosen Bundesliga-Tage hatte die neuen Trainer bei deren Ankunft an der Grünwalder Straße 114 stets in den Arm genommen, ihnen Mut zugesprochen. Mit einem hat Estermann es ganz besonders können: Mit Werner Lorant.

Der Kult-Trainer, der die Löwen von der Bayernliga bis in die Champions League-Qualifikation führte, hielt sich im Stüberl oft länger als auf dem Trainingsplatz auf. Einerseits, um von seinem Stammplatz aus die wartenden vier, fünf Reporter der hiesigen Tagespresse und des Fernsehens zu bedienen und die Spieler abzukanzeln (“Dem Greilich schneide ich seine blonden Strähnen raus”), aber auch um neue Rekorde im “Expresso”-Trinken aufzustellen. Sechzig war eine große Familie - bis die sportliche Talfahrt begann und man sich zankte, dass dies sogar das Münchner Rathaus am Marienplatz zeitweise erschütterte. Im Sommer 2017 fand sich der Meister von 1966 in der Regionalliga Bayern wieder. Ein Albtraum.

Heute ist alles ein paar Nummern kleiner bei den Löwen. Die Christl sieht man nach ihrem tränenreichen Abschied nicht mehr bei 1860 und auch das Interesse der Journalisten ist deutlich geringer geworden, was zum einen an der Drittklassigkeit der Löwen sieht, andererseits seit Monaten aber auch selbstverständlich an der Corona-Krise. Am Eingang stand auch am Freitagmittag ein Ordner mit Maske, der die Besucher am Trainingsgelände kontrolliert. Nebenbei fütterte er noch fürsorglich die Raben.

Währenddessen bereitete Michael Köllner seine Löwen auf die schwere Auswärtspartie in Zwickau (Samstag, 14 Uhr, db24-Ticker). Der Oberpfälzer hatte tags zuvor seinen Vertrag an der Grünwalder Straße verlängert, nach db24-Informationen bis zum 30. Juni 2022. Also so lange, wie die positive Fortführungsprognose läuft. “1860 ist für mich eine Herzensangelegenheit”, sagte Köllner und verweist auf die Giesinger Familie, die plötzlich zu einer Wohlfühloase geworden ist. Sogar die beiden Gesellschafter streiten nicht mehr.

Dass Köllner sein Herz an die Löwen verloren hat, liegt auch an der Treue der Fans. “Im Juli habe ich im ersten Moment gedacht: Oh, jetzt haben 17 Spieler auslaufende Verträge, wir verlieren zwei Leihspieler und es gibt einen richtigen Umbruch. Aber als nach einigen Tagen schon 7.000, 8.000 Dauerkarten weg waren, da wusste ich: “Hier muss ich meine kurz- und mittelfristige Zukunft anlegen.”

Zum großen Glück fehlt jetzt nur noch der sportliche Erfolg, der Aufstieg in die Zweite Liga. Das Ziel will Köllner aber nicht ausgeben: “Wir haben keinen Top-Etat und keine Top-Mannschaft. Aber wir schrauben daran. Natürlich will ich aufsteigen, das wollen wir alle.”