Jetzt muss Gorenzel liefern!
- VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (Foto)
- 08.12.2020 10:37
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VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)
Wenn auf 1860-Geschäftsführer Günther Gorenzel die Kameras gerichtet sind, dann ist vor allem eines garantiert: Eine ordentliche rhetorische Verpackung. Der Österreicher weiß sich gut zu verkaufen. Dann spricht der Mann vom Wörthersee auch oft und gern davon, dass er über eine “20-jährige Berufserfahrung” verfüge. Oder: “Fußball ist komplex - wir arbeiten alles akribisch ab.” Hört sich alles schön an - und sorgt auch teilweise für Beruhigung beim Anhang.
Doch die letzten Wochen offenbaren an der Grünwalder Straße 114 genau das, wovor viele Experten im Sommer schon gewarnt hatten: Der dünne Kader des TSV 1860 könnte Trainer Michael Köllner vor eine riesengroße Herausforderung stellen. Dazu musste nicht viel passieren. Bereits ein bis zwei Ausfälle zeigen, dass der Kader nicht ausgewogen und mit Auge zusammengestellt worden ist (das hat nichts mit Corona zu tun!). Und genau das ist auch der Grund, warum die Sechziger statt auf einem Aufstiegsplatz nur im grauen Mittelfeld der Drittliga-Tabelle stehen. Die erste Löwen-Elf ist gut (wenn alle im Vollbesitz ihrer Kräfte sind), doch das Leistungsgefälle auf der Bank ist gravierend. Anders ist auch nicht zu erklären, warum Michael Köllner erst 16 Spieler in dieser Saison eingesetzt hat. Tiefstwert in der Dritten Liga.
Insgesamt ist der Kader in der Breite deutlich schwächer besetzt als in der Vorsaison. Es ist ein Armutszeugnis für 1860, wenn Köllner regelmässig den gelernten Abwehrspieler Dennis Erdmann in den letzten Minuten - wie beim 1:2 in Köln - als offensive Brechstange einwechseln muss. Solche Methoden erinnern eher an die Bezirksliga. Sie wirken auch wie ein versteckter Hilferuf des Trainers.
Das Budget soll laut Gorenzel gleich geblieben sein, doch wo ist jetzt der Fehler?
Dass jetzt auch noch die Gorenzel-Verpflichtung Martin Pusic, die sich vor seiner Unterschrift bei den Löwen als Weltenbummler mit 16 verschiedenen Klubs einen Namen gemacht hatte, aus privaten Gründen seinen Vertrag aufgelöst hat, bringt den TSV 1860 schwer in die Bredouille.
Ursprünglich wollte Gorenzel vor der Saison nur Spieler verpflichten, die den Löwen “sofort weiterhelfen”- damit man vor allem eines nicht mehr erlebt: Tristes Mittelmaß in der Dritten Liga. Doch genau darauf läuft’s trotz der großzügigen Unterstützung von Hauptsponsor “Die Bayerische” (Jahresgage verdoppelt) und der vielen treuen Dauerkarten-Käufer (knapp 11.000) leider wieder hinaus. Die drei Spiele bis zur kurzen Winterpause (Mannheim, Kaiserslautern und Wiesbaden) haben es in sich.
Ein Alibi gibt’s in dieser Saison nicht: Beide Gesellschafter halten sich in aller Öffentlichkeit wohltuend zurück, der finanzielle Background ist dank Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik bis zum Sommer 2022 gesichert - und Finanz-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer ist fleißig auf Sponsoren-Akquise und versucht mit seiner offenen und durchaus einfühlsamen Art in allen Lagern zu punkten.
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Gorenzel würde gerne seinen zum 30. Juni 2021 auslaufenden Geschäftsführer-Vertrag verlängert haben. Für ihn spricht, dass er nach dem abrupten Bierofka-Aus mit Michael Köllner einen für die Dritte Liga überdurchschnittlichen Trainer verpflichtet hat. Auch in den ersten Wochen der Corona-Krise gab der Österreicher einen guten Part ab, kämpfte für die Interessen des TSV 1860 und der Dritten Liga. Doch entscheidend ist für die Löwen, dass Gorenzel die nächsten Wochen liefert und den Kader so korrigiert und aufstellt, dass ein Fortschritt deutlich erkennbar ist und er seinen Worten endlich Taten folgen lässt.
Oliver Griss (49) berichtet seit 1990 über den TSV 1860, arbeitete u.a. für die Münchner Abendzeitung 12 Jahre. Er hat den Aufstieg von der Bayernliga bis in den Europapokal und den Weg zurück aus nächster Nähe mitgemacht.