VON OLIVER GRISS

Es gab Zeiten beim TSV 1860, als die Kiebitze beim Trainingsauftakt im Sommer verzweifelt nach Neuzugängen gesucht haben. Oft hatte sich der Klub aufgrund gravierender Fehleinschätzung oder finanzieller Defizite nur der Restrampe bedient und dadurch ein richtig gutes Saisonergebnis schon frühzeitig im Keim erstickt.

In dieser Transferperiode ist alles anders als in den Jahren zuvor - und das obwohl zunächst von einem geringeren Etat ausgegangen werden musste. Doch in den letzten Wochen und Monaten wurden neue Geldquellen erschlossen (u.a. Ticket-Erhöhung), aber auch neue Sponsoren gewonnen (u.a. BayWa) - und so kann der Profibereich wieder mit einem ähnlichen Haushalt von rund fünf Millionen Euro wie in der Vorsaison planen. Und weil die Löwen auch lernfähig sind (und das ist nicht hoch genug einzuschätzen), haben sie ihr Gehaltsgefüge deutlich verändert. Weg von den übertariflichen Gehältern für vermeintliche Unterschiedsspieler, hin zu realistischen Lohnzahlungen. Das ist wesentlich gesünder - und eröffnet dem TSV 1860 neue Perspektiven, auch um den Kader breiter aufzustellen und den Gegebenheiten im deutschen Profifußball (fünf statt drei Auswechslungen) besser anzupassen.

Ergo: Die sportliche Kommandobrücke der Löwen macht in dieser Transferperiode bislang sehr viel richtig. Erfahrung auf der einen Seite (Kobylanski, Rieder, Vrenezi) gepaart mit hungrigen Talenten (Lakenmacher, Skenderovic) auf der anderen Seite. Der gemeine Löwen-Fan kann den Saison-Aufgalopp am 17. Juni vermutlich kaum noch erwarten, zumal es für den ein oder anderen schwer sein wird, welcher Name letztlich aufs Trikot muss. Genau das hat der Löwe schon lange nicht mehr gehabt: Die große Vorfreude, abzulesen auch am neuen Rekord nach der ersten Dauerkarten-Verkaufsphase. Knapp 10.000 Saisontickets sind weg. Viele gibt es nicht mehr.

Und das Faszinierende aus Sicht der Fans: Die weiß-blaue Shoppingtour ist noch lange nicht vorbei, um die Sechziger aufzumotzen. Nein, das ist kein Größenwahn, sondern angesichts der Ziele unumgänglich. Der Kader braucht in allen Mannschaftsteilen neue Impulse. Und sollte es den Löwen auch gelingen, Jesper Verlaat von Waldhof Mannheim zu verpflichten, hätten sie nicht nur erkannt, dass die Abwehr ein fußballerisches Qualitäts-Upgrade, sondern auch deutlich mehr Persönlichkeit auf dem Platz braucht. Der 25-jährige Verlaat bringt beides mit - ein netter Nebeneffekt: Bei einer Verpflichtung des ehrgeizigen Holländers hätten die Löwen nicht nur die Aussicht auf eine Rendite bei einem Weiterverkauf, sondern gleichzeitig auch noch einen direkten Aufstiegskandidaten geschwächt. Klappt dieser Deal, kann man den Sechzgern zu ihrer gut durchdachten Kaderpolitik nur gratulieren.

Merke: Schnelle Zufriedenheit ist trotzdem fehl am Platz. Der Kader muss am Ende perfekt abgestimmt zu sein.