Köllner, der Mann fürs Spektakuläre
- VON MARCO BLANCO UCLES
- 13.08.2022 09:00
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VON MARCO BLANCO UCLES
Wem Karten für den Circus Krone - 35 Euro aufwärts - zu teuer sind, der sollte sich lieber um ein Ticket für die Münchner Löwen im Grünwalder Stadion bemühen. Denn wer Spektakel liebt, ist dort genau richtig aufgehoben. Michael Köllner (52) hat eine Mannschaft geformt, der man gerne zuschaut. Ein Team, mit dem sich die Fans identifizieren können. Der Löwen-Dompteur hat einen riesigen Anteil daran. Beim 4:0-Sieg über Meppen feierte Köllner sein 100. Drittligaspiel als Trainer der Sechzger. Eine Erfolgsgeschichte, der (noch) das Happy End fehlt.
Als Löwen-Legende Daniel Bierofka im November 2019 aufgrund interner Querelen entnervt hinwarf, installierte der Klub Michael Köllner als Nachfolger, den sympathischen Oberpfälzer, der zuvor den 1. FC Nürnberg in die Bundesliga geführt hatte.
Wie viele andere Löwenfans war auch ich unschlüssig: Würde Köllner dem Haifischbecken 1860 gewachsen sein? Nun ja, viel überzeugender als mit 15 Spielen ohne Niederlage zu Beginn konnte man die Kritiker kaum verstummen lassen. Der Löwe wandelte sich unter der Regie des Oberpfälzers. Weg vom kampfbetonten Bierofka-Fußball hin zu spielerisch schön anschauendem Offensivspiel. 1860 im Grünwalder Stadion lohnte sich nicht nur wegen der Stimmung auf Giesings Höhen, sondern auch deshalb, was Sascha Mölders und Co. auf dem Rasen zeigten. Und wer weiß, wohin der Weg der sich in Topform befindende Löwen in dieser ersten Köllner-Saison geführt hätte, wäre nicht die Corona-Pandemie gekommen, die dem Profifußball für einige Monate den Riegel vorschob.
Auch in der zweiten und dritten Saison Köllners zeigten die Löwen - bis auf den Herbst 2021 - für Drittliga-Verhältnisse ansehnlichen Fußball, schossen ihre Gegner immer wieder mit vier, fünf oder auch sechs Treffern aus dem Stadion. Einzig: Der ganz große Wurf, der Aufstieg in die Zweite Liga, blieb Köllner zweimal denkbar knapp verwehrt.
Köllner am Ende? Mitnichten! Der Oberpfälzer hat in diesem Sommer klargemacht: Nur wenn ihm eine aufstiegsfähige Mannschaft zur Verfügung steht, sieht er seine Zukunft in München-Giesing. Und der Fußball-Lehrer bekam seine Wünsche erfüllt. Nun muss er liefern. Der Saisonstart ist ihm gelungen mit drei Siegen aus drei Spielen. Es hat etwas von Alles-oder-nichts in dieser Saison. Scheitert der Löwe erneut, ist auch Köllner gescheitert. Es bleibt ihm zu wünschen, dass ihm die Rückkehr in das Fußball-Unterhaus gelingt.
Warum? Ganz einfach: Weil Köllner ein Glücksfall für 1860 ist. Er verkörpert die Marke wie kein Zweiter, ist Werbefigur für die Löwen. Bei den Fans ist der frühere Zahnarzthelfer äußerst beliebt. Nicht nur, weil er die sportliche Weiterentwicklung vorantreibt. Sondern auch, weil sich Köllner Zeit nimmt für die Fans, ihnen zuhört. Der Sechzigfan kann mit distanzierten Trainern wie beispielsweise Vitor Pereira nichts anfangen. Auch ein lockerer Spruch am Trainingsgelände muss drin sein. Köllner kann das. Er ist ein Coach zum Anfassen.
Wer jedoch glaubt, dass Köllner lediglich den Gute-Laune-Onkel an der Grünwalder Straße 114 gibt, der irrt sich - und zwar gewaltig. Der Oberpfälzer spricht Missstände knallhart an. Er hat aus seiner Anfangszeit bei Sechzig gelernt, als er zu viele Dinge einfach geschehen ließ. Mit der Demission des beliebten Kapitäns Sascha Mölders hat Köllner Kopf und Kragen riskiert. Wäre der sportliche Erfolg in den Wochen danach ausgeblieben, hätte der Trainer vermutlich seinen Hut nehmen müssen. Es ging gut, die Mannschaft wirkte befreit, gewann im Anschluss vier Spiele in Serie.
Köllner spricht Missstände an, sagt klar seine Meinung - wie beispielsweise im diesjährigen Trainingslager, als einige Chaoten durch Randale die Löwen in ein schlechtes Licht rückten. Auch die mediale Schelte von Präsident Robert Reisinger - “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold” - kurz vor Saisonbeginn prallte an Köllner ab. Er zieht sein Ding durch, hat das Wohle des Vereins im Sinn. Störfeuer hin, Störfeuer her.
Wenn man in einigen Jahren auf die Köllner-Ära zurückblickt, wird natürlich das sportliche Abschneiden besonders im Fokus stehen. Gelingt dem Coach die Rückkehr in die Zweite Liga, wird er als einer der ganz großen Übungsleiter der letzten Jahrzehnte im Löwen-Kosmos in Erinnerung bleiben und sich neben Namen wie Werner Lorant, Karsten Wettberg oder Daniel Bierofka einreihen. Menschlich und charakterlich ist er ohnehin schon in ungeahnte Sphären aufgestiegen. Ein Typ mit Ecken und Kanten, der sich komplett in den Dienst des Vereins stellt. Köllner ist es zu wünschen, dass er sich im Sommer 2023 für seine Mühen endlich belohnt. Und sich damit seinen Platz in den 1860-Geschichtsbüchern sichert. Verdient hätte er es.
Der Sollner Marco Blanco Ucles arbeitet seit Juli 2022 für db24. Seine journalistische Ausbildung machte er im Ippen-Verlag. Der 25-Jährige engagiert sich selbst im Amateurfußball - beim TSV Solln.
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