VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Torjäger, Aufstiegsheld, Publikumsliebling - und am Ende sogar Cheftrainer in der Bundesliga. Die Zeit von Peter Pacult (63) bei den Löwen war überaus erfolgreich. Er ist dem TSV 1860 auch heute noch verbunden. Vor dem Wörthersee Cup in Klagenfurt haben wir den Österreicher zum db24-Interview gebeten:

db24: Glückwunsch, Herr Pacult: Vor zwei Wochen haben Sie einen neuen Vertrag bis 2025 beim österreichischen Erstligisten Austria Klagenfurt unterschrieben. Juckt’s immer noch wie früher?

PETER PACULT: Absolut - ich bin jetzt 63. Aber ans Aufhören denke ich noch lange nicht. Es gibt sowieso Trainer, ob in der Vereinsarbeit oder als Nationalcoach, die älter sind als ich. Das Alter spielt für mich keine Rolle. Ich habe einfach noch einen großen Spass, ob vor einigen Jahren für den Wiener Verband als Mädchen-Trainer oder jetzt bei Austria Klagenfurt. Das passt einfach.

db24: Auch weil die Ergebnisse stimmen…

Für uns ist es wichtig, dass wir auch in der zweiten Saison nach dem Bundesliga-Aufstieg beweisen, dass wir im vergangenen Jahr zurecht in die Play-off-Runde gekommen sind. Wir hoffen, dass wir Platz sechs verteidigen können. Wir haben kein großes Budget, das weiß jeder - umso schöner ist, dass wir dem ein oder anderen Verein die Stirn bieten können. Das beweist: Man kann auch mit weniger Geld gut arbeiten - und wir arbeiten in allen Bereichen gut.

db24: Hand aufs Herz: Schauen Sie die WM in Katar an?

Selbstverständlich. Ich verstehe das ganz Theater nicht, vor allem die, die einen Boykott befürworten. Die Deutschen tun sich da ganz besonders hervor, was ich nicht verstehe. Schon vergessen, wie Deutschland den Zuschlag für die WM 2006 bekommen hat? Diese Doppelmoral macht mich wütend. Man sollte Katar nicht verurteilen, nur weil dieses kleine Land das gemacht hat, was die Fifa von ihm verlangt hat. Wenn man jemanden hinterfragen muss, dann diejenigen, die Katar als WM-Ausrichtungsort gewählt haben. Ich finde, Katar hat tolle Stadien gebaut und alles dafür getan, den Zuschlag zu bekommen. So traurig es ist, dass Menschen beim Bau der Stadien gestorben sind, so muss man aber auch sehen, wie viele Menschen dabei Arbeit gefunden haben. Und glauben Sie mir: Die Fußballer denken nicht über diese Diskussionen nach, sie wollen alle nur ihre Ziele erreichen: Die einen wollen Weltmeister werden, die anderen zumindest die Gruppenphase überstehen.

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db24: Einer, der immer das Maximum wollte, ist Didi Mateschitz. Der Brause-König von Red Bull ist vor einigen Wochen im Alter von 78 Jahren verstorben. Wie behalten Sie ihn in Erinnerung?

Als ich die Nachricht zu seinem Tod gehört habe, konnte ich nicht glauben, dass er nicht mehr unter uns ist. Der österreichische Sport hat Mateschitz so viel zu verdanken. Ich habe ihn als tollen Menschen kennengelernt, als er mich zu RB Leipzig geholt hat. Als ich das erste Mal ihm gegenüber stand, hatte ich große Ehrfurcht. Er hat den Fußball in Österreich wiederbelebt. Mit Red Bull Salzburg gibt es wieder eine Mannschaft in Österreich, die international für Aufsehen sorgt - das ist sein Verdienst. Schauen Sie sich mal die Transfers an: Mane oder Haaland. Die kamen über Salzburg auf die große Bühne. Was viele nicht wissen: Er war kein Fußball-Liebhaber, er liebte mehr den Motorsport - und trotzdem war es ihm ein großes Anliegen, den Sport in Österreich auf eine andere Ebene zu heben.

Welche Note geben Sie der Entwicklung des TSV 1860 seit dem Zwangsabstieg 2017 (sportlich, wirtschaftlich und strukturell)?

Umfrage endete am 02.12.2022 12:00 Uhr
Note 3
36% (1514)
Note 2
22% (941)
Note 4
21% (891)
Note 5
12% (496)
Note 6
5% (198)
Note 1
4% (174)

Teilnehmer: 4214

db24: Was können Sie uns über den Mateschitz-Plan sagen, dass Red Bull Mitte der 2000er Jahre bei 1860 einsteigen wollte?

Wir hatten zwar einmal über 1860 gesprochen, aber das hörte sich nicht so an, dass er ernsthaft Interesse an den Löwen gehabt hätte. Denn wenn Red Bull was macht, dann alleine - und das ist bei 1860 bekanntlich nicht möglich. Früher und heute nicht - obwohl dem Klub wirtschatliches Denken nicht geschadet hätte (lacht).

db24: Lassen Sie uns über die Löwen der Ist-Zeit reden…

Sechzig ist sehr gut gestartet, leider ist der Mannschaft im letzten Drittel der Hinrunde etwas die Luft ausgegangen. Das Spiel gegen Bayreuth habe ich im TV gesehen. Leider hat man dort unnötig Punkte verloren, die jetzt in der ersten Zwischenbilanz fehlen.

db24: Wackelt der anvisierte Aufstieg?

Kein Fan braucht sich jetzt Sorgen zu machen, dass das Ziel verfehlt werden könnte. Auch die anderen Vereine werden schlechtere Phasen haben, auch Elversberg als Tabellenführer. Man hat alles in der eigenen Hand. Die Qualität in der Mannschaft passt, aber 1860 muss vom Verletzungspech verschont bleiben. Der lange Ausfall von Marcel Bär tat schon richtig weh - und ist einer der Hauptgründe, warum die Kontinuität gefehlt hat.”

db24: Michael Köllner bekam zuletzt ordentlich Gegenwind. Angeblich stand sogar eine vorzeitige Ablösung im Raum.

Der Trainer ist derselbe wie am Anfang der Saison, als ihm alle um den Hals gefallen sind und sich alle um ihn rum gesonnt haben. Nur weil man zuletzt weniger Punkte geholt hat, darf der Trainer nicht an die Wand gestellt werden. Über den Trainer zu diskutieren, halte ich für grundlegend falsch. Michael weiß selbst, dass das zuletzt nicht optimal war. Ich finde, Michael hat das bislang sehr ordentlich gemacht. Und sind wir doch mal ehrlich: Wer gibt dir die Garantie, wenn ich den Trainer wechsle, dass dann alles besser wird? Keiner! Ein Trainerwechsel kostet nur Geld. Ich verstehe die Vereine heutzutage sowieso nicht. Beispiel Bochum. Thomas Reis wird drei Jahre für seine Arbeit gefeiert und dann feuert man ihn am 5. Spieltag der neuen Saison. Das muss ich nicht verstehen.

db24: Präsident Robert Reisinger fällt seit einiger Zeit immer als Ratgeber für Köllner auf…

Hat er das nicht schon bei Daniel Bierofka gemacht? Der Reisinger sieht sich als ganz schlauer Bursche, das ist mir schon klar: Er hat ja selbst schon große Erfolge vorzuweisen (lacht). Den Spruch in Richtung Köllner “Reden ist Silber, Schweigen ist Gold!” sollte er sich selbst zu Herzen nehmen. Und nehmen wir die lächerliche Kritik am Trainingslager. Für wen hält er sich? Fans im Spielerhotel, am besten zusammen miteinander im Whirlpool plantschen - das gibt es doch in ganz Deutschland eigentlich nicht. Es würde 1860 besser zu Gesicht stehen, wenn Reisinger weniger reden würde. Wenn ihm Köllner nicht passt, dann soll er ihn rauswerfen, aber ihm nicht ständig in die Parade fahren. Da kannst du nicht 100 Prozent Leistung bringen, weil du mit einem unguten Gefühl in die Arbeit gehst. Da lobe ich mir Hasan Ismaik: Der spendiert der Mannschaft und dem Trainer immer auf aufmunternde Worte und hält zudem den Betrieb mit seinem Geld am Leben - und wird trotzdem weiterhin von einer Seite beleidigt. Und den Reisinger feiern sie - wofür eigentlich? Das ist das eigentlich Perverse bei 1860, das schockiert mich.

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db24: Was meinen Sie genau?

Ich kenne doch diese Fans… Das sind die, die schon zu meiner Zeit “Wildmoser raus!” geschrien haben und gegen alles und jeden sind. Aber selbst haben sie aber nichts auf die Kette bekommen bei 1860. Für diese Fans gibt es nur das Grünwalder Stadion, der Sport ist Nebensache. Alles wird diesem Stadion untergeordnet. Natürlich ist das Olympiastadion heute nicht mehr zeitgemäß, aber das Grünwalder noch viel weniger. Natürlich habe ich dort sehr gerne gespielt, aber damals durften noch 29.000 Zuschauer rein, die uns unterstützt haben. Mit 15.000 Fans kann man doch heutzutage keinen Profiklub in Deutschland finanzieren - das ist die Wahrheit, die leider keiner hören will und so hingenommen wird.

db24: 1860 würde gerne den Weg von Union Berlin gehen…

Das zieht auch nicht mehr. Union baut jetzt sein Stadion auf 38.500 Fans aus - weil sie Geld verdienen müssen, um sich weiter zu entwickeln und nicht stehen zu bleiben: Bei 1860 glauben sie immer noch, dass man mit Luft und Liebe den Spielbetrieb sichert und irgendeiner das Geld für den Spaß auftreibt. Ich kann mich noch gut an 2002, als ich Trainer bei 1860 war, erinnern: Wir sind damals als Erstligist bei Union Berlin zu einem Benefizspiel angetreten: Die waren damals in der 3. oder 4. Liga - daran sieht man, was in den letzten 20 Jahren aus 1860 geworden ist.