VON OLIVER GRISS

Wenn man sich die Bilder genauer ansieht und richtig deutet, die 1860-Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik am späten Sonntagabend auf seinen Social Media-Kanälen gepostet hat, dann fällt sofort auf: Die Teilnehmer der Runde sahen alles andere als glücklich aus. Das lag vermutlich nicht an der pompösen Suite des Jordaniers im “Mandarin Oriental” und der Besetzung des runden Tisches, sondern vielmehr am Fehlstart der Löwen in Mannheim: Beim desaströsen 1:3 in der Kurpfalz ließ der selbsternannte Aufstiegskandidat einen Tag zuvor so ziemlich alles vermissen lassen, was man in der Dritten Liga braucht, um Erfolg zu haben: Eine gute Physis, Leidenschaft, Herzblut, fußballerisches Talent - und auch einen klaren Matchplan. Nichts davon konnte man nur ansatzweise sehen - und das obwohl Michael Köllner und auch Günther Gorenzel unisono in Belek von einem “perfekten Trainingslager” gesprochen hatten. Wenn der 18-jährige Leandro Morgalla als Jüngster im Team der einzige ist, der sich im Carl-Benz-Stadion so richtig wehrt, sagt das viel über den Charakter der anderen aus.

Tatsächlich hatte man noch in Belek den Eindruck, dass die Mannschaft erkannt hat, was die Stunde geschlagen hat: Doch das 1:3 in Mannheim lässt darauf schließen, dass Bär, Hiller & Co. nicht verstanden haben, worum es in dieser Alles-oder-Nichts-Saison geht. Es geht ausschließlich um den Aufstieg in die Zweite Liga - nichts ist wichtiger für 1860. Platz vier oder schlechter ist in dieser Bamperlliga kein Erfolg. Wer dem Druck nicht standhalten kann, der ist beim falschen Verein.

Das gilt nicht nur für die Spieler, sondern auch für die sportliche Kommandobrücke: Im Sommer war man an der Grünwalder Straße 114 “all in” gegangen und hatte mit seinem Sechs-Millionen-Etat eine Mannschaft mit guten Namen zusammengestellt, die der Liga vor allem eines vermitteln sollten: Freunde, jetzt sind wir dran!

Der Start verlief furios: Fünf Siege in Folge - doch mit dem 1:4 in Elversberg war’s vorbei mit dem Giesinger Freudentanz. Ausgerechnet zur Wiesn gab´s den mentalen K.o. Die Bilanz der letzten fünf Spiele liest sich jedoch wie die eines potentiellen Absteigers: Von möglichen 15 Zählern holte 1860 nur einen Punkt - beim 1:1 gegen Rot Weiss Essen. Und das Alarmierende: Die Mannschaft wurde zuletzt immer schwächer.

1:3 in Mannheim: Warum legte 1860 diesen Fehlstart hin?

Umfrage endete am 29.01.2023 08:00 Uhr
Falsches System!
34% (3195)
Fehlende Einstellung der Spieler!
30% (2827)
Kurzum: Die Mannschaft ist nicht besser!
21% (1912)
Wir haben keinen echten Stürmer!
5% (449)
Kobylanski & Holzhauser zusammen - das funktioniert nicht!
4% (370)
Fitness-Manko!
3% (281)
Torwart Hiller gibt keine Sicherheit
3% (261)

Teilnehmer: 9295

Was zudem Angst macht: Die Verantwortlichen haben nach der schweren Bär-Verletzung im vergangenen Sommer nicht erkannt, dass 1860 im Sturm ein richtiger Brecher fehlt, vor dem sich die Liga fürchtet. Die ganze Last auf den jungen Fynn Lakenmacher abzuladen, war nicht zielführend. Und der wiedergenesene Bär? Der ist von seiner Vorjahres-Form meilenweit entfernt.

Dass die Löwen nicht mehr richtig zum Abschluss kommen (in Mannheim ging genau ein Ball aufs Waldhof-Tor) zeigt, in welchem Bereich es am meisten hakt. Verpflichtet - mit den letzten zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln - wurde aber mit dem Österreicher Raphael Holzhauser kurz vor Saisonstart ein Spieler, der zwar über eine wunderbare Technik und einen linken Hammer verfügt, aber wie Martin Kobylanski kein Tempospieler und Zweikämpfer ist. Dieser Versuch - mit beiden offensiven Mittelfeldspielern - konnte gegen diese aggressive Waldhof-Mannschaft in diesem System nicht gutgehen…

Michael Köllner muss gegen Zwickau die elf Spieler finden, die für ihn durchs Feuer gehen und mit 1860 in die Zweite Liga wollen. Die Frage ist auch, ob das gegen Waldhof praktizierte System das richtige für den Aufstiegskampf ist. Schafft der Trainer es in dieser Woche nicht, ein neues Feuer zu entfachen und die Spieler bei der Ehre zu packen, dann hat er leider keine Argumente mehr. Und eines ist auch klar: Sollte Köllner scheitern, braucht 1860 einen Trainer, der weniger auf die Menschlichkeit setzt, sondern von jedem Spieler - auch mit Hilfe der alten Werner-Lorant-Peitsche - das sportliche Optimum herausholt.