VON MARCO BLANCO UCLES

Wie gelähmt. So lässt sich der Zustand des TSV 1860 dieser Tage zusammenfassen. Die Mannschaft befindet sich im freien Fall der Drittliga-Tabelle, das Umfeld in Schockstarre.

Es wird viel geredet bei und über Sechzig. Einzig: Die Verantwortlichen an der Grünwalder Straße 114 kommen erst am heutigen Donnerstag zusammen, um den Absturz des TSV 1860 aufzuhalten. 16 Tage (!) nach der Entlassung Michael Köllners. Selbst im Amateurfußball würde man den Kopf darüber schütteln, bei der Besetzung der Position des Cheftrainers derart viel Zeit verstreichen zu lassen. Nun könnte man argumentieren: Es ist wichtig, dass dafür die entscheidenden Köpfe in einem Raum versammelt sind, um diese wichtige Angelegenheit zu besprechen. Das Skurile: Das ist bei den Löwen ja nicht einmal der Fall. Die sehnlichst erwartete Aufsichtsratssitzung am Donnerstagabend findet virtuell statt. Kein Witz! Wie gesagt: 16 Tage nach dem Rauswurf Köllners. Ein Rettungsversuch in Zeitlupe.

Was ist seitdem passiert? Kandidaten wurden in der Presse gehandelt. Nicht zwei oder drei. Weit über 15 Namen geisterten durch die Medienlandschaft. Würde 1860 jeden von ihnen einstellen, hätte bald jeder Löwenspieler seinen persönlichen Coach. Für einen möglichen Köllner-Nachfolger sicherlich auch nicht das Gelbe vom Ei, wenn neben seinem Namen noch ein Dutzend weiterer Trainer-Kandidaten im Raum stehen. A-Lösung klingt anders.

Achim Beierlorzer und Manuel Baum sollen die beiden Favoriten auf die Köllner-Nachfolge sein: Wer schmeckt ihnen besser?

Umfrage endete am 02.03.2023 08:00 Uhr
Keiner von beiden!
56% (5059)
Achim Beierlorzer
25% (2264)
Manuel Baum
18% (1661)

Teilnehmer: 8984

Auf dem Spielfeld ist der erhoffte Effekt des Trainer-Rauswurfs sofort verpufft. Einen Punkt gab es aus den beiden Auswärtsspielen in Oldenburg (2:2) und Meppen (1:2). Das Interims-Duo Günther Gorenzel und Stefan Reisinger hat es nicht geschafft, die Löwen wieder in die Erfolgsspur zurückzubringen. Wer die Mannschaft in diesen Tagen beobachtet, sieht: Das Team ist verunsicherter denn je. Natürlich geht es auch nicht an den Spielern spurlos vorbei, wenn erst der Coach gefeuert wird und anschließend - ja, mittlerweile kann man dieses Wort tatsächlich benutzen - wochenlang kein Nachfolger präsentiert wird.

Günther Gorenzel hat dieser Tage alle Hände voll zu tun, er selbst spricht von 14 Stunden Arbeit am Tag derzeit. Neben seinem Job als Interims-Coach und der mühseligen Trainerfindung hat der Österreicher auch in seiner Funktion als Sport-Geschäftsführer alle Hände voll zu tun. 13 Verträge laufen im Sommer aus, der Fokus des 51-Jährigen müsste aktuell eigentlich auf den Vertrags-Gesprächen mit Spielern und Beratern liegen. Zudem steht nach übereinstimmenden Medienberichten nun auch Gorenzel selbst vor dem Aus, in der Aufsichtsratssitzung geht es auch um seine Zukunft. Ein einziges Chaos.

Gorenzel ist in der Trainerfindung natürlich von den beiden Gesellschaftern abhängig. Auch diese geben seit der Köllner-Entlassung kein gutes Bild ab. Von Hasan Ismaik ist derzeit rein gar nichts zu vernehmen, der Mehrheitsgesellschafter schweigt nach außen hin. Man kann sich aber vorstellen, dass es in ihm brodelt. Sein Statthalter Antony Power postet kryptische Botschaften auf Instagram, die ebenfalls zur Unruhe beitragen. Und Präsident Robert Reisinger? Der schreibt in einem Zeitungsinterview mal eben eigenmächtig den Aufstieg ab, bei fünf Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz - 16 Spiele vor dem Ende. Interessante Herangehensweise.

Bei den Fans gibt es derzeit zwei Stimmungslager zu beobachten: Die eine Hälfte hat bereits resigniert, will - ob der Planlosigkeit, die dort wieder mal herrscht - am liebsten nichts mehr hören von der Grünwalder Straße 114. Die andere Hälfte ist wütend. Wütend darüber, dass Sechzig seine exzellente Position im Aufstiegsrennen derart jämmerlich verspielt hat. Wütend darüber, dass 1860 derzeit ohne jegliches Konzept im Tabellen-Mittelfeld der Dritten Liga versinkt. Wütend darüber, dass längst nicht allen Entscheidungsträgern in München-Giesing die alarmierende Lage bewusst zu sein scheint, in der sich der Verein derzeit befindet.

Es muss nun etwas passieren. Ohne Wenn und Aber. Noch ist die Rettung möglich. Auch wenn sie in Zeitlupe vonstatten geht.