"Mach dei Arbeit - sonst hat sich's ausgepfiffen!": Warum Pfeifer?
- VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
- 02.10.2023 17:17
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VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)
Alles nur inszeniert oder doch die Meinung der kompletten Fanszene des TSV 1860 München?Als der Löwe am Samstagnachmittag gerade mit 1:0 gegen den SC Verl in Führung gegangen war, wurden in der Westkurve des Grünwalder Stadions mehrere Plakate in voller Breite hochgezogen. Darauf war in dicken Lettern zu lesen: “Sechzig ist Tradition. Das hast du nie begriffen. Mach dei Arbeit. Sonst hat sich’s ausgepfiffen.” Die unfreundliche Botschaft war an die Adresse von 1860-Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer gerichtet. Man kann dem Schwaben viel vorwerfen, aber sicher nicht, dass er nicht für die Löwen arbeiten würde.
Was von Präsident Robert Reisinger (er fehlte als neuer Chef-Kontrolleur der KGaA das zweite Mal hintereinander auf der Ehrentribüne) mit seiner Kritik am Transfergebaren der Fußball-Firma der Löwen losgetreten und dann vom e.V.-nahen Fanportal Sechzger.de als Enthüllungsgeschichte “verfeinert” wurde, wofür aber bislang weiterhin jegliche Beweise fehlen, hat jetzt die nächste Etappe erreicht: Pfeifer wurde von den Ultras angezählt. Aber die große Mehrheit der Löwen-Fans weiß zumindest mittlerweile, was solche Banner bedeuten: Es ist Showtime im Giesinger Staat. Nach db24-Informationen sind verschiedene Sponsoren äußerst irritiert über die Praktiken beim TSV 1860, zumal der eigene Präsident mit seinen Aussagen die Reputation des Geschäftsführers in Frage stellt.
Pfeifer wird plötzlich als weiß-blauer Sündenbock abgestempelt - warum eigentlich? Was wirft man ihm vor?
Noch Anfang Juli auf der 1860-Mitgliederversammlung im Zenith hatte sich Präsident Reisinger selbst auf die Schulter geklopft und die wirtschaftliche Entwicklung der KGaA, also die von Pfeifer, gelobt. Doch inzwischen herrscht eine frostige Beziehung an der Grünwalder Straße 114: Die Kommunikation zwischen Reisinger und dem im Februar abgemahnten Pfeifer soll mittlerweile gegen Null tendieren. Zuletzt hatte sich Vize-Präsident Hans Sitzberger gegenüber dem “BR” gewünscht: “Man sollte wieder miteinander statt übereinander reden.” Ein frommer Wunsch, der vermutlich nicht mehr zu realisieren ist - die Fronten sind verhärtet, was selbst Sitzberger zu spüren bekommt. Er gilt innerhalb des Präsidiums als “Fahnenflüchtiger”. Er hat - wie auch die HAM-Seite - den Wunsch geäußert, dass man mit Pfeifer auch über dessen Vertragslaufzeit weiter zusammenarbeitet. Bis zum 31. Dezember ist sein Vertrag kündbar, ansonsten verlängert er sich automatisch.
Was plant der Beirat? In diesem Gremium sitzen für den e.V. Präsident Reisinger und der Regensburger Rechtsanwalt Nicolai Walch, der aus der Fanszene stammt. Das Duo könnte mit Hilfe des e.V.-Präsidiums mit dem Schwert 50+1 gegenüber den HAM-Vertretern den Geschäftsführer ins Amt hieven, aber auch abbestellen. Heißt: Sitzberger oder Heinz Schmidt müssten dem zustimmen. Die nächsten Wochen werden spannend in Giesing.
Nach dem Schlußpfiff am Samstagnachmittag wurde in der Kurve seit längerer Zeit mal wieder das sogenannte Scheich-Lied inklusive “Wir sind der Verein” gesungen - und das zu einem Zeitpunkt, als sich die Mannschaft eigentlich für den 1:0-Sieg gegen Verl feiern lassen wollte. Jesper Verlaat & Co. machten da aber nicht mit und verzogen sich in die Kabine.
Doch dass es längst andere Stimmen im Publikum gibt, war im Grünwalder Stadion zu beobachten: Auf der Haupttribüne präsentierte sich beispielsweise eine Frau mittleren Alters in Tracht und einem Anti-Reisinger-Shirt - und im Block J hatte eine andere Frau im gelben Torwart-Trikot Mumm, als sie Plakate mit mehreren Botschaften hob: “Die einzigen Pfeifen stehen in der Kurve. So eine Unterstützung brauchen wir nicht.” Und: “Wir stehen hinter unserem Trainer und Marc Pfeifer! Wer das nicht tut - hat hier nichts zu suchen. Reisinger raus!”
Ein db24-Leser meldete sich bei uns und schilderte uns eine Szene, als ein männlicher Fan versucht haben soll, der Frau das Plakat aus der Hand zu reißen. Er berichtete zudem: “Sie wurde auch gefragt, ob sie Kinder habe und die AFD wähle.”
Gibt es in der Westkurve keine Meinungsfreiheit?