VON OLIVER GRISS

Zugegeben, die Bundesliga schaue ich immer seltener, weil der Langeweile-Faktor schon relativ hoch ist und sich viele Traditionsvereine sportlich und wirtschaftlich selbst abschaffen. Da sind wir gleich beim Thema: Meine Lieblings-Beispiele in der Zweiten Liga, wie man es garantiert nicht macht, sind Hertha BSC und Schalke. Zwei Großklubs mit noch größerem Einfluß der mächtigen Fanszenen - bei Hertha ist sogar der ehemalige Ultra-Vorsänger von den "Harlekins Berlin", Kay Bernstein, als Präsident am Joystick.

Der Unternehmer wurde in seinen jungen Jahren auch mit einem Stadion-Verbot belegt. Bernstein macht sich auch immer wieder gebetsmühlenartig für den Fortbestand von 50+1 stark und spricht sich zudem gegen ein Verbot von Pyro-Technik aus. Eine seiner ersten Amtshandlungen war übrigens die Aktien-Übernahme durch das US-Unternehmen 777 Partners aus Miami. Aber was interessiert mich mein Geschwätz von gestern, wenn’s um den Erhalt des eigenen Pöstchens geht…

Der Giesinger Weg macht Schule. Wichtig ist nur bei den Gleichgesinnten gut da zu stehen. Entwicklung? Sport-Kompetenz in den Gremien? Ein Konzept? Eine ehrliche Strategie? Puh, schwierig.

Genau diese Entwicklung ist im deutschen Fußball stark zu beobachten: Nicht nur in der DFB-Riege oder im DFL-Apparat, sondern auch bei fan-starken Klubs wie 1860, Hamburg, Nürnberg, Hertha oder Schalke. Die Gelsenkirchner, noch vor einigen Jahren im Europapokal vertreten, taumeln Richtung Dritter Liga - ohne Fallschirm. Zuletzt 1:2 im Krisen-Gipfel gegen Hertha - Platz 16 in der Zweiten Liga, wohlgemerkt als Bundesliga-Absteiger mit einem angeblichen Saison-Budget von 40 Millionen Euro.

Wenn man sich über Schalke informieren will, dann ist “BILD”-Chefkolumnist Alfred Draxler immer noch eine sehr gute Quelle. Er spricht das aus, was viele denken, aber sich nur hinter vorgehaltener Hand zu sagen trauen. Zuletzt im “Doppelpass” erklärte der Reporter-Veteran: “Schalke wird ja auch inzwischen von den Ultras beeinflusst. Da wehrt sich im Verein keiner dagegen und schafft mal für Ordnung.”

In seiner “BILD”-Kolumne “Nachgehakt” schrieb er vor einigen Tagen nach dem Reis-Rauswurf: “Ich frage mich, wann endlich jemand auf die Idee kommt, dass das Problem nicht automatisch immer der Trainer sein kann. Sondern vielmehr die falschen Strukturen im Verein. Und die Entscheidungsträger, die sich längst als unfähig entlarvt haben. Das Sagen hat mittlerweile der Nachfolger von Clemens Tönnies. Ein gewisser Axel Hefer. Er fährt den stolzen FC Schalke 04 gerade voll vor die Wand. Er ist Aufsichtsratsvorsitzender von Gnaden der Ultras. Diese sind dafür bekannt, dass sie nicht leistungsorientiert sind, sondern dass es ihnen vor allem um die eigene Inszenierung geht.”

Und wer weiß: Vielleicht stattet Schalke nächstes Jahr der Dritten Liga einen Besuch ab und löst damit 1860 als größtes Zugpferd ab. Unterhaltungswert hätte Schalke in der ersten DFB-Liga allemal.