VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Gestern führte mich mein Weg nach einer kurzen Nacht - resultierend aus der späten Rückkehr aus Dresden - nach vielen Jahren wieder einmal in die Allianz Arena - an den Ort, der den TSV 1860 prinzipiell hätte besser machen können. Und schon beim ersten Ordner im Pressebereich musste ich meine Identität zu erkennen geben. "Was macht denn der Blaue heute da?", scherzte die Sicherheitskraft und entlockte mir ein kurzes Schmunzeln. Auch mit Arena-Sprecher Werner Götz, der durchaus Sympathien für die Löwen hat, plauderte ich kurz über den Altmeister von 1966. Um klarzustellen: Nein, ich war nicht wegen des FC Bayern in Fröttmaning, sondern weil der "Verein Münchner Sportjournalisten" zur Jahreshauptversammlung ins WM-Stadion von 2006 geladen hat. Als das Meeting mit vielen Zeitzeugen des Münchner Fußballs aus den letzten 50 Jahren vorbei war, unterhielt ich mich mit etlichen Kollegen, die mich immer wieder mit einer Frage konfrontierten: "Sag mal, was ist bei deinen Löwen los?" Oder: "Wann spielen die Blauen an diesem Wochenende?" Hoppla, was für ein Augenöffner...

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Oliver Griss mit den Hörfunk-Legenden von “Heute im Stadion” Karlheinz Kas und Hans-Peter Pull.

Ja, was ist eigentlich mit den Löwen los? Prinzipiell wenig. 1860 spielt im gesellschaftlichen Leben in München Jahr für Jahr eine immer unbedeutendere Rolle. Zum Auswärtsspiel nach Dresden schickte kein Verlag einen Reporter. Schon klar, das wollen die Giesinger Fantasten nicht wahrhaben, ist aber so. Das ist das Ergebnis von klarem Missmanagement. Der Giesinger Weg wird von einer kleinen Gruppe auch noch lautstark verteidigt, warum auch immer - weil sie ein erfolgreiches Sechzig möglicherweise gar nicht kennen?

Um festzuhalten: Chaos, Unprofessionalität, Gschaftlhuberei, Neid, Hass und Missgunst gab es auch schon vor dem Einstieg von Hasan Ismaik im Jahr 2011 an der Grünwalder Straße 114. Das ist belegbar - und hat nichts mit dem angeblichen Bremsklotz Ismaik zu tun, auch wenn es immer wieder von einer Seite so dargestellt wird.

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Ob´s Zufall war, dass mein erster Arena-Besuch seit langem genau auf den 9. März gefallen ist, kann ich nicht sagen. Denn am 9. März 2004, also gestern vor genau 20 Jahren, war ein durchaus geschichtsträchtiger Tag für den TSV 1860 - im negativen Sinne: Kult-Präsident Karl-Heinz Wildmoser wurde verhaftet! Schmiergeldskandal rund um die Allianz Arena! Dieser Tag erschütterte den TSV in seinen Grundfesten.

Von diesem Erdbeben haben sich die Löwen bis heute nicht erholt: Statt Klassenkampf in der Bundesliga heißt das Tagesgeschäft Drittliga-Tristesse. Immerhin wird 1860 nicht absteigen, aber den DFB-Pokal zum zweiten Mal in Folge verpassen.

Der Arena-Knall war einer der größten Fußball-Skandale der letzten 50 Jahre im deutschen Fußball. 21 Staatsanwälte, 30 Steuerfahnder und 70 Kriminalbeamte waren im Einsatz, beschlagnahmten Ordner und Computer in der 1860-Geschäftsstelle. Die Grünwalder Straße 114 wurde abgesperrt.

Der Vorwurf gegen die Löwen-Bosse: Bestechlichkeit, Steuerhinterziehung und Veruntreuung. Im Rahmen des Baus der Allianz Arena sollen 2,8 Millionen Schmiergelder an die Wildmosers geflossen sein.

Am Nachmittag erging Haftbefehl gegen den Löwen-Boss und seinen Sohn Heinz. Der alte Wildmoser sitzt drei Tage in U-Haft in Stadelheim. Am 15. März, nur wenige Tage später, wird der Druck bei 1860 für den Großgastronom zu groß. Er muss zurücktreten, die Grünwalder Stadion-“Experten” feierten diesen Tag wie eine Art Auferstehung. 2010 starb Wildmoser im Alter von 71 Jahren viel zu früh im Krankenhaus Rechts der Isar.

Die Löwen haben seitdem keinen besseren Präsidenten mehr gefunden als Wildmoser. Keiner konnte ihm - bei allen Fehlern - auch nur annähernd das Wasser reichen. Bis heute nicht.