Das db24-Interview mit VR-Kandidat Obermaier: "Bei 1860 muss die Menschlichkeit zurück!"
- VON OLIVER GRISS
- 31.05.2024 17:06
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VON OLIVER GRISS
"Wählt mich - für eine bessere Löwen-Zukunft" - die Interview-Reihe vor der Mitgliederversammlung am 16. Juni mit den Kandidaten für den Verwaltungsrat beginnt. Dieses Gremium ist die entscheidende Schaltzentrale bei 1860 München. Sie steht hinter dem aktuellen Kurs - und auch hinter Präsident Robert Reisinger.Unser erster Kandidat ist Franz-Josef Obermaier, 54, Bau-Unternehmer aus Forstern. Der Familienvater (drei Kinder) geht als erster Bewerber an den Start der db24-Serie. Das Interview:
db24: Herr Obermaier, wir fangen gleich mit der ultimativen Masterfrage an: Warum sollten die Mitglieder ausgerechnet Sie wählen?
FRANZ-JOSEF OBERMAIER: Ich bin von Kind auf Sechzger-Fan. So wie es jetzt ist, kann es auf gar keinen Fall weitergehen. Es muss ein Neustart her. Und das, was ganz groß geschrieben werden muss: Bei 1860 muss die Menschlichkeit zurück! Ohne Menschlichkeit funktioniert kein Verein, kein Betrieb und keine Familie.
db24: Und was ist Ihnen noch wichtig?
Der e.V. muss wieder an Stärke zulegen! Der e.V. ist das Bindeglied des gesamten TSV 1860 München. Man muss sich das vorstellen wie eine Kette, in der folgende Glieder enthalten sind: Die Fans, die Sponsoren, der Investor - alle die sympathisieren mit den Löwen. Und das Bindeglied, das alles flutscht, ist der e.V. Und genau das treibt mich an. Ich kann Ehrenamt. Ich bin seit 28 Jahren Gemeinderat, auch Fraktionsvorsitzender meiner Gruppierung. Es funktioniert immer nur gemeinsam. Solange du Störenfriede hast, die im Hintergrund arbeiten und das System verteidigen, wirst du nie Erfolg haben.
db24: Die aktuelle Führungscrew wird vermutlich Ihnen entgegnen: Es ist doch alles in Butter…
Wir haben auf der einen Seite den e.V., auf der anderen Seite die KGaA - und mittendrin ist der Investor. Es wird nicht miteinander, sondern gegeneinander gearbeitet. Ganz extrem ist es seit 2017, als aus dem Verwaltungsrat ganz offen kommuniziert wurde: “Ab sofort gegen Hasan!” Die Ausstrahlung nach außen trägt alles andere als die Handschrift Menschlichkeit. Das ist desaströs. Wenn ich schon die Worte von Robert von Bennigsen lesen muss: Er macht sich für Pyro stark - und das obwohl diese Aktionen dem Verein Schaden zufügen. Da fehlen mir die Worte. Auch, dass alle Ticketpreise erhöht werden, nur die Stehplätze nicht. Der Mittelrang der Westkurve ist die heilige Kuh des e.V.
Welche Note geben Sie dem Fortschritt seit dem Zweitliga-Abstieg 2017?
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db24: Aber die Zerrissenheit im Verein gibt es nicht erst seit dem Einstieg von Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik.
Richtig! Die Menschlichkeit fehlt bei 1860 schon viel länger. Es war der 9. März 2004, als Wildmoser Senior im Zuge der Stadion-Affäre verhaftet worden ist. Ich kann mich noch gut an diesen Tag erinnern: Ich bin mit dem Auto in der Einsteinstraße gefahren, als im Radio die Nachricht kam. Für mich war klar: “Jetzt steigt 1860 ab!” Tatsächlich ist es leider so gekommen. Davon haben wir uns bis heute nicht erholt. Wildmoser war 1860. Er hatte eine sehr starke Ausstrahlung. Er hatte die damaligen Widerstandskämpfer, sag ich mal, an sich abprallen lassen. Als Wildmoser weg war, hat das Ganze seinen Lauf genommen. Danach kamen zwar auch noch menschliche Präsidenten zum Zug: Karl Auer war ein feiner Kerl, auch Dieter Schneider, der leider schon verstorben ist - und auch Peter Cassalette. Aber keiner hatte die Persönlichkeit von Wildmoser. Bei ihm hat das Drumherum gepasst, jetzt passt leider gar nix mehr.
db24: Fühlt so der Löwen-Fan?
Natürlich! Wir sind gespalten wie nie, auch unter den Fans. Es war noch nie so wie jetzt. Das ist das Allerschlimmste, was den Verein momentan prägt. Auf der einen Seite wird bei 1860 immer vom Vereinen gesprochen, auf der anderen Seite wehen die Anti-Ismaik-Fahnen im Fanblock. Das hat nichts mit Meinungsfreiheit zu tun, sondern mit Aufruf zu Hass. Ich merke die Unzufriedenheit in meiner Familie: Mein Sohn, der Fabian, ist jetzt 19. Er distanziert sich immer mehr von 1860. Er liebt den Fußball, aber nicht das Gegeneinander. Er sagt zu mir: “Was möchtest du mit denen? Die verlieren immer und hauen sich gegenseitig die Köpfe ein. Die haben keine Lust am Erfolg. Solange gehe ich da nicht mehr ins Stadion.” Bezeichnend für so einen jungen Mann.
db24: Stimmt.
Bis vor zwei Jahren war er in jedem Spiel dabei, in der vergangenen Saison hat er alle Spiele gemieden. Das ist ein klares Alarmzeichen. Ich sehe das ja bei uns auch im Schützenverein. Da bin ich Vorstand. Da kommen die Kinder nicht mit dem Löwen-Trikot, die kommen mit der Bayern-Kappe oder dem Trikot der Roten. Nicht falsch verstehen: Ich bin kein Bayern-Hasser. Weil die sind keine Konkurrenten von uns. Wir sind von denen soweit weg - wie die Erde vom Mond. Was mich außerdem ärgert: Der e.V. sagt immer, er entwickelt sich, verschließt aber die Augen, dass der Profifußball nicht stagniert, sondern die Entwicklung zum Schämen ist. 1860 ist Fußball. Dass man sich für das Bamboleo feiert, ist bezeichnend. Für die gibt es nur Giesing, Grünwalder Stadion und aus. Und was immer unter den Tisch gekehrt wird: Wir sperren im Grünwalder Stadion so viele Fans aus. Und was ich betonen will: Die größte Demütigung für einen Sechzger-Fan ist, wenn du in der Regionalliga oder Dritten Liga ein Derby gegen die Bayern-Amateure spielen musst. Normalerweise müsste da alle Alarmglocken schrillen.
db24: Deswegen machen Sie sich jetzt für einen Wandel stark.
Genau! Du brauchst jetzt Personen im Verwaltungsrat, die miteinander und füreinander für ein gemeinschaftliches Sechzig kämpfen. Nur so kann der Erfolg wieder zurückkommen. Für mich ist der Schlüssel der Mutterverein: Die Protagonisten in der KGaA werden vom e.V. ständig gewechselt - und beim e.V. sind die Verantwortlichen quasi alle noch am werkeln. Und ich nenne es jetzt einmal überspitzt, die Manipulateure, sind alle noch im Boot. Vielleicht tritt mal einer zurück, aber der Passende kommt dann schon zurück. Die werden 1:1 ausgetauscht. Es ist ein Zirkel seit vielen Jahren.
db24: Und wer nicht spurt, wird ausgetauscht…
Hans Sitzberger war nicht mehr einverstanden mit dem Kurs und wurde ab diesem Zeitpunkt bekämpft. Dieser Zustand ist untragbar. Und wenn wir das jetzt nicht auf die Reihe bekommen und Personen reingewählt werden, die den Verein nicht für sich benutzen, sondern dem Verein dienen, haben wir unser Urteil selbst gefällt. Wichtig ist der TSV 1860 - und der muss erfolgreich sein. Und weil der Profifußball unser Aushängeschild ist, sage ich klipp und klar: Ich will nicht länger in der Dritten Liga bleiben! 1860 hat viel mehr Ambitionen. Mindestens Zweite Liga, aber eigentlich Bundesliga.
db24: Aber der e.V. ist laut den aktuellen Funktionsträgern mehr als nur der Profifußball.
Natürlich haben wir insgesamt 17 Abteilungen, aber der Profifußball ist die Königsdisziplin bei 1860. Darüber spricht man, das ist unsere Liebe. Wir leben für die Löwen auf dem Fußballplatz. Die e.V.-Sportarten haben genauso ihre Berechtigung und die Menschen, die sich dafür interessieren, können da hingehen, wo sie sich beteiligen wollen. Aber wenn einer den Profibereich nicht mag, dann kann er entweder zu den eigenen Fußball-Amateuren 1860 gehen oder zu seinem Heimatverein, wenn er mit dem Kommerz Profifußball nichts anfangen kann.
db24: Sie zeigen klare Kante, das ehrt Sie: Haben Sie keine Angst vor einem möglichen Shitstorm?
Nein, überhaupt nicht! Das würde mich eher noch stärker machen. Ich lasse mich nicht aus der Fassung bringen. Von nichts und niemanden. Ich bin das von meinem Betrieb gewohnt, das man kämpfen muss. Besonders in der Bau-Branche. Es klappt immer nur mit Menschlichkeit und die muss zurück zu 1860. Das Wichtigste bei den Löwen ist, dass man wieder auf Augenhöhe sprechen kann und nicht mit Hinterlist, überspitzt gesagt, einen schlecht macht.
db24: Für den Kurs bei 1860 ist der Verwaltungsrat zuständig, der Robert Reisinger bereits zweimal als Präsident vorgeschlagen hat…
Ich kenne Reisinger privat nicht. Aber seine Außendarstellung lässt sehr zu wünschen übrig. Ich habe ihn mal bei einem Löwen-Spiel in Bayreuth aus nächster Nähe im VIP-Bereich, der mit 60 Leuten gefüllt war, beobachten können. Es waren einige Sechzger drin, aber Reisinger hat es nicht für notwendig gehalten, mit diesen Fans zu sprechen, geschweige denn einfach nur Grüß Gott zu sagen. Das zeigt seine Wirkung, da stimmt’s hinten und vorne nicht. Er lebt den Fußball nicht. Ich weiß nicht, welche Ziele Reisinger verfolgt. Man hat jedes Jahr das Gefühl, man will gar nicht nach oben. Man kann eigentlich die Uhr danach stellen. Wie oft war es in den letzten Jahren, wenn 1860 ein paar Spiele hintereinander gewinnt, dann werden die Störfeuer wieder gezündet. Ich habe bei 1860 Identifikationsfiguren wie Daniel Bierofka und Michael Köllner - und nur weil sie zu Ismaik positiv eingestellt waren, werden sie abgestempelt und als Gegner gesehen. Geschichte wiederholt sich, immer und immer wieder. Das ist kein Zufall.
db24: Wenn Sie sich einen Präsidenten schnitzen könnten, wer wäre das?
Ich sage mir immer: Wenn ich Präsident von 1860 wäre, würde ich den Verein innerhalb von fünf Jahren in die Bundesliga führen. Ich besitze die Menschlichkeit, ich komme mit jedem Menschen eigentlich gut aus. Wenn der Hintergrund passt, dann kannst du bei 1860 so viel bewegen. Und wir hätten als Zusatz noch einen Investor an der Seite, dem du auf Augenhöhe begegnen musst und nicht brüskieren darfst. Aber ich sage auch ganz deutlich: Es darf nie der Fehler passieren, dass die Investorenseite die Überhand bekommt. Es muss ausgewogen sein, dann funktioniert es auch. Der e.V. muss das Konzept liefern und Ismaik unterstützen. Wenn das ein Präsident schafft, dann ist der Erfolg unausweichlich.
db24: Wir haben über Reisinger und den e.V. gesprochen: Wie sehen Sie Ismaik?
Das kann man in wenigen Sätzen zusammenfassen: Warum Ismaik 2011 eingestiegen ist, das wissen wir alle. Als den Löwen im Winter 2016 sportlich das Wasser zum Hals gestanden ist, hat Ismaik einmal eingegriffen - leider sind wir dann abgestiegen. Aber was seine Kritiker vergessen: Er hatte sich vorher und nachher nie eingemischt. Wir sind in dieser Zeit mehrmals vor dem Abstieg gestanden. Das sind die Fakten. An Ismaik liegt es nicht, dass wir dort sind, wo wir sind. Sein größter Fehler war 2016, dass er selbst versucht hat - mit seinen Beratern, die es meines Erachtens nur auf sein Geld abgesehen hatten. Warum hat er sich damals nicht an Menschen wie die Meisterlöwen gewandt, die ihm gesagt hätten, was 1860 ausmacht und braucht. Man muss Ismaik nicht hofieren, aber man sollte ihm mit Anstand und Respekt gegenüber stehen und auch so kommunizieren. Das erwarte ich auch von Herrn Ismaik. Man kann nicht nur Leute fordern, die einem nach der Pfeife tanzen, sondern man sollte, nein muss jedem mit Anstand und Menschlichkeit gegenüber stehen.
db24: Eine letzte Frage: Warum sind Sie eigentlich nicht zur Wahlkampf-Veranstaltung von Pro1860 gegangen?
Nein, das brauche ich nicht. Mir reicht der Stadion-Besuch. Ich habe keine Lust, mich für irgendwas rechtfertigen zu müssen. Die haben andere Ziele als ich habe. Ich sehe mich eher beim Bündnis als bei Pro1860, Klaus Lutz und Thomas Hirschberger werde ich sicher wählen - und trotzdem muss das Bündnis aufpassen, dass sie von der Außenwirkung nicht zu sehr investoren-lastig rüberkommen. Wir brauchen einen starken e.V. aber ohne Ideologie.
Wenn Sie auch VR-Kandidat sind und sich präsentieren wollen, dann melden Sie sich noch bis zum Samstag um 18 Uhr bei uns unter redaktion@dieblaue24.de mit dem Stichwort “Kandidat”.