VON OLIVER GRISS

Ich darf behaupten: Ja, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Den Wunsch, irgendwann über den TSV 1860 München berichten zu dürfen, hatte ich bereits im zarten Alter von sechs Jahren. Der Weg war sehr steinig: Erste Mitarbeit beim Trostberger Tagblatt als 14-Jähriger, ich hatte richtig gute Lehrmeister: Karlheinz Kas, bekannte Stimme von "Heute im Stadion", mit dem ich auch die F-Jugend des TSV Trostberg trainierte, oder Christian Settele, mit dem ich später beim damaligen Bezirksoberligisten SB Rosenheim auch zusammen Fußball spielen durfte. Er war es auch, der mir ein Erlebnis ermöglichte, das mich bis heute an den TSV 1860 fesselt: Das Wunder von Meppen.

Heute an diesem regnerischen 11. Juni jährt sich dieser Tag bereits zum 30. Mal - dass dieses Ereignis eines der schönsten Momente in meiner 35-jährigen Tätigkeit als Reporter sein wird, das wusste ich zum damaligen Zeitpunkt freilich nicht. Klar, ich war in Leeds, Drnovice, Halmstad oder Newcastle oder verfolgte für die “Münchner Abendzeitung” beide Derby-Siege gegen den FC Bayern in der Bundesliga-Saison 1999/2000, aber Meppen war der Hit. Man hatte das Gefühl, dass ganz München im Emsland war, dabei füllten nur 16.000 Fans das Meppener Stadion. Ich bin damals mit den “Schalchner Löwen” per Zug ins Emsland gereist. Was heute unvorstellbar ist: Ich erlebte die letzten Minuten am Spielfeldrand, wohlgemerkt im Innenraum - hinterher waren wir Reporter Augenzeuge, was sich in der engen Mannschaftskabine der Löwen abspielte. Unvergessene Momente. Momente des Glücks. Für das Trostberger Tagblatt hatte ich im Juni 1994 das Erlebte niedergeschrieben - der Titel: “Der Tag, an dem 1860 wiederkam.”

Das noch einmal zu erleben, ist mein persönlicher Antrieb. Ich kann mich nicht damit abfinden, dass dieser Großverein in der Provinz rumtingelt und damit weiter unter seinen Möglichkeiten bleibt. 1860 ist für mich etwas ganz Besonderes. Mein Großonkel Franz Hammerl spielte von 1940 bis 1952 für die 1. Mannschaft des TSV 1860 und kam 1940 beim 7:3 über Bulgarien sogar zu einem Länderspiel-Einsatz. Das Geschenk, das Hammerl vom damaligen Bundestrainer Sepp Herberger bekam, ehre ich bis heute - einen Teller mit Herbergers Konterfei.

In meiner beruflichen Karriere, wenn man davon sprechen darf, habe ich viele Highlights erleben dürfen: Sommermärchen 2006 als Deutschland-Reporter, Trips mit dem FC Bayern nach Tokio oder Barcelona - oder viele Champions League-Spiele im Olympiastadion oder der Allianz Arena im AZ-Team. Doch keines dieser Ereignisse fesselte mich so wie das Wunder von Meppen. Für mich sind - bei aller journalistischer Distanz - Karl-Heinz Wildmoser, Werner Lorant, Peter Pacult, Bernhard Winkler oder Thomas Miller Helden. Sie haben 1860 wiederbelebt.

Noch heute klingen die Worte meines damaligen Chefs Gunnar Jans Anfang der 2000er in den Ohren: “Nur wenn du über Bayern berichtest, hast du es geschafft.” Nein, das war nie meine Berufung. 1860 ist das, was mich fixt. Der Löwe ist eine der schönsten Marken im deutschen Fußball - und genau die gilt es wieder zu wecken. Der Fußball hat eine verbindende Wirkung, nicht der verbissene Kampf um ein Stadion oder die unzähligen Lügen, mit denen ich diskreditiert werden soll.