VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Die Geschichte von Kult-Reporter Michael Graeter (82) in München wurde in den 80er Jahren vom WDR verfilmt: Er war Baby Schimmerlos in der TV-Sendung "Kir Royal". Er kannte alle - und die Stars und Sternchen hatten einen Heidenrespekt vor ihm. Er schrieb seine Kolumnen stets mit spitzer Feder, er wirbelte die Münchner Schickeria durcheinander. Und er sagt über sich: "Ich war der Königsmacher von Karl Heckl. Ich habe ihn zu 1860 gebracht. Er war der erste und einzige mit richtig Pulver. Ich weiß es ganz genau: Er hat vier Millionen Mark aus der Hosentasche für die Mannschaft ausgegeben und die meisten Spieler haben in seinen Schwabinger Wohnungen gelebt. Karl hat halb Schwabing besessen. Er war eigentlich Malermeister. Er hat sein Geld mit amerikanischen Kasernen verdient, die er angestrichen hat. Heckl war ein Superpräsident - und das nicht nur, weil er Pulver hatte..."

Graeter, der u.a. zweieinhalb Jahre Lokalchef der Münchner Abendzeitung war, hat aber auch seit Jahrzehnten ein besonderes Faible für den TSV 1860 München, bei dem er seit 1985 Lebensmitglied ist. Am Sonntag kommt Graeter auch zur Mitgliederversammlung der Löwen und will auch das Wort ergreifen. Das db24-Interview:

db24: Herr Graeter, Sie sind seit 1985 Lebensmitglied - wie kommt’s?

MICHAEL GRAETER: Ich gehöre zu den Gründern der “Live Member-Card” bei 1860 - ich habe damals 1860 Mark bezahlt. Ich glaube, ich gehöre mittlerweile zu den ältesten Lebensmitgliedern von 1860 (lacht).

db24: Sie gehen am Sonntag zur richtungsweisenden MV des TSV 1860, auf der der Verwaltungsrat gewählt wird, der über die politische Richtung der Löwen entscheidet…

Ich komme auf jeden Fall! Wenn ich höre, dass Journalisten keine Liveticker von der Veranstaltung anbieten dürfen, dann falle ich vom Glauben ab. Sind wir in der DDR? Hallo, wir sind im Jahr 2024! Wo ist die Meinungsfreiheit? Und dass Petar Radenkovic bis heute nicht Ehrenpräsident von 1860 ist, ist eine Frechheit sondersgleichen! Mir geht das langsam auf den Senkel, dass eine nicht ernstzunehmende Hardcore-Gruppierung ihr Unwesen treibt und ständig unseriöse und nie umsetzbare Dinge wie die Stadion-Geschichte mit dem Grünwalder fordert, die geschäftsschädigend und realitätsfremd ist. Es tut weh, wie man eine Weltmarke oder zumindest eine deutschlandweite Edelmarke so beschädigen kann. Wenn die das auf dem Giesinger Berg wollen, dann sollen sie bitte einen eigenen Verein gründen, aber uns Sechzger in Ruhe lassen. Der Verein muss raus aus dem Grünwalder Stadion, gleich morgen! 1860 ist kein Dorfclub, sondern eine Riesennummer. Wir normalen Fans wollen wieder in die Bundesliga, wir wollen wieder, dass zweimal im Jahr Blau gegen Rot spielt. Das ist das Fußballfest von München - und das wollen wir wieder haben. Momentan sieht es so aus, dass man mit allen Mitteln den Dorffußball verteidigt.

db24: Was sind die Gründe?

Ich weiß es nicht! Für mich sind das reine Wichtigmacher! Sie benutzen unsere Löwen und treten mit Füßen auf diese große Marke. Ich weiß nicht, wer dahinter steckt, aber diese Leute müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Man muss das alles auswechseln! Und was ich ganz amüsant finde: Das sind teilweise sogar keine echten Münchner. Ich hatte vor einigen Jahren auf der Mitgliederversammlung mal ein äußerst belustigendes Gespräch mit einem Anwalt aus Regensburg, der sich als Funktionär ausgegeben hat.

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db24: Nicolai Walch?

Ich weiß es nicht. Zumindest hatte er keine Anworten auf meine Fragen und nach kurzer Zeit hat er darauf verwiesen, dass ich mir bei ihm einen Termin geben lassen könnte. Der war völlig realitätsfremd. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Wenn das die Zukunft von 1860 ist, dann gute Nacht! Früher waren die Löwen Götter in München: Ich kann mich noch sehr gut an die deutsche Meisterschaft 1966 erinnern. Ich durfte damals bei strömendem Regen im Autokorso auf den Marienplatz mitfahren. Die Straßen waren alle voll, wo früher links und rechts 400 Nutten standen…(lacht).

db24: Die Löwen sind nicht im Freudenhaus, sondern inzwischen ein bemitleidenswerter Drittliga-Verein. Bei 1860 ist seit den 60er Jahren nur wenig passiert, bis auf die zehnjährige Bundesliga-Ära zwischen 1994 und 2004 unter dem verstorbenen Ex-Präsidenten Karl-Heinz Wildmoser. Meist war nur Zank, Zwietracht und Chaos Trumpf.

Sie sagen es! Aber weil Sie Wildmoser erwähnen. Dieser sogenannte Schmiergeldskandal, da rege ich mich heute noch darüber auf. Heinz Wildmoser Junior hat der gemeinsamen Stadiongesellschaft bei den Verhandlungen rund 20 Millionen Euro gespart und wurde als Dank eingesperrt. Das war eine ganz schmierige Nummer. Der junge Wildmoser saß unschuldig im Gefängnis. Ich werde das alles in meinem neuen Buch aufschreiben. Der Titel: “Die Wahrheit hinter der Wahrheit” - oder “Die Rechnung bitte!” Und dann die Geschichte, dass 1860 unter Preis die Anteile für Milliarden-Projekt für 13 Millionen Euro verkauft hat. Da lacht sich doch heute jeder schlapp. Dieser Fall muss nochmal aufgerollt werden. Das war sittenwidrig. Mich wundert es, dass keiner sich an dieses heiße Essen heran traut. Ich versteh bis heute nicht, warum die Presse schweigt.

9 aus 23: Wer ist Dein Spitzenkandidat für die Verwaltungsrats-Wahl des TSV 1860 am Sonntag?

Umfrage endete am 27.06.2024 00:00 Uhr
Klaus Lutz (Bündnis)
35% (2095)
Martin Gräfer (Bündnis)
25% (1466)
Saki Stimoniaris (neutral)
8% (475)
Thomas Hirschberger (Bündnis)
5% (301)
Nicolai Walch (aktueller Verwaltungsrat)
4% (225)
Gernot Mang (neutral)
4% (223)
Christian Dierl (Pro1860-Lager)
3% (189)
Markus Drees (Pro1860)
2% (140)
Sebastian Seeböck (aktueller Verwaltungsrat)
2% (115)
Klaus Ruhdorfer (Bündnis)
2% (103)
Xandi Hofmann (Bündnis)
2% (99)
Franz-Josef Obermaier (neutral)
2% (89)
Martin Obermüller (Pro1860-Lager)
1% (64)
Sascha Königsberg (aktueller Verwaltungsrat)
1% (63)
Anton Dilger (neutral)
1% (48)
Beatrix Zurek (aktueller Verwaltungsrat)
1% (47)
Robert von Bennigsen (aktueller Verwaltungsrat)
1% (37)
Tom Baudisch (Bündnis)
1% (36)
Robby Forster (Bündnis)
0% (25)
Gerhard Mayer (aktueller Verwaltungsrat)
0% (21)
Maximilian Glogger (neutral)
0% (18)
Dieter Remmlinger (neutral)
0% (16)
Karl Sochurek (neutral)
0% (12)

Teilnehmer: 5907

db24: Bei 1860 geht’s immer ums Geld. 2011 stand der Verein vor der Pleite. Erst der jordanische Unternehmer Hasan Ismaik musste 1860 retten…

Ich weiß zu wenig über ihn. Der Zweck heiligt bekanntlich die Mittel. Wenn es einen gibt, der dem Klub geholfen hat, muss man ihm dankbar sein. Ohne wenn und aber. Und dass der gute Mann Forderungen stellt, ist das Normalste der Welt. Ich find’s immer noch schade, dass 2006 nicht Red Bull bei 1860 eingestiegen ist. Didi Mateschitz wollte unbedingt nach München. Vielleicht sollte man den ganzen Finanzexperten bei 1860 erklären, dass es im Leben nichts geschenkt gibt. Aber ich verrate Ihnen jetzt was?

db24: Ja, bitte!

Ich werde 1860 einen sehr seriösen Sponsor bringen - mit viel Geld. Ein deutsches Institut. Ich wurde angesprochen. Es will ein Sponsoring - egal wo. Aber mir ist sofort Sechzig eingefallen. Aber das lass’ ich erst nach der Mitgliederversammlung raus, wen ich am Haken habe. Für die aktuelle Führung bei 1860 habe ich überhaupt nichts übrig, sorry! Wenn Robert Reisinger sagt, dass 1860 ohne ihn zusammenbricht, dann kann man nur den Kopf schütteln. Er sucht die Schuld immer bei den anderen. Wenn Reisinger dieses Goldstück 1860 in sieben Jahren nicht nach oben führen kann, dann muss er wegen Unfähigkeit gehen. Eigentlich müsste er freiwillig zurücktreten. Reisinger ist für mich ein Brunnenvergifter!

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db24: Zurück zu Mister X: Was fordert er?

Ich weiß es nicht genau. Ich denke, er will aufs Trikot. Aber er will ein Team, das nach oben schießt. Das ist ja logisch. Der Vorstandvorsitzende ist Fan von 1860. Bei ihm laufen wir offene Türen ein. Das Unternehmen sitzt in München, Brüssel und Paris - mit rund 8.000 Mitarbeiter. Da könnte man richtig stolz sein, wenn so ein Label auf dem Trikot klebt. Und weil es gerade darum geht, 1860 neu aufzustellen…

db24: Ja?

Ich hätte übrigens auch einen Präsidenten an der Hand! Einen richtig Guten! Aber der will bei 1860 einen Prozess durchführen, dass auch die Geschichte mit der Allianz Arena geklärt ist. Das ist keiner für kleine Träume, das sage ich schon vorab. Der kann sich das Elend, das aktuell bei 1860 am laufen ist, nicht länger anschauen. Es ist sowieso ein Hammer: Die richtigen Promis in München sind mit Löwen-Herz ausgestattet, die Roten in der Stadt sind doch eher die Trittbrettfahrer. Die haben zwar auch Pulver, aber nicht genug (lacht). Sie wollen sich ein bisschen im Glanz des FC Bayern sonnen. Aber mittlerweile wird über die Sechzger kaum noch geschrieben, das ist ja das Traurige! Das gilt es zu ändern! Ich verstehe nicht, warum man nie ernsthaft über Felix Magath als Manager nachgedacht hat. Er würde auch noch Geld mitbringen. Magath würde die Löwen aufmischen! Und ich weiß, dass einer am Tegernsee dann einen richtig roten Kopf bekommen würde (lacht).

db24: Einer der für den Verwaltungsrat kandiert, ist mit Professor Klaus Lutz ein überaus bekannter Name.

Ja, klar: Der Lutz könnte das bei 1860! Von ihm hört man eigentlich nur Gutes. Er wird bekämpft, weil er gut ist. Das ist doch krank! Wer sind die Leute, die die anderen bekämpfen? Man muss diese Leute höflich zum Ausgang bitten. Das sind Amateure! Die sollen ihren eigenen Klub aufbauen, aber Sechzig in Ruhe lassen!

db24: Lutz wäre auch ein guter Präsident für die Löwen. Doch der Weg in diese Rolle führt ausschließlich über den Verwaltungsrat, der einen Kandidaten vorschlägt.

Das ist ein Witz! Alle, die sich für dieses Amt berufen fühlen, sollen die Möglichkeit bekommen, sich vor den Mitgliedern vorzustellen. Es braucht keine Vorauswahl vom Verwaltungsrat. Es braucht kein Gremium dazwischen. 1860 braucht Demokratie und keine Hinterzimmerpolitik.

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db24: Sie kennen viele reiche Menschen. Eine letzte Frage: Der frühere Fußball-Abteilungsleiter Roman Beer orientiert sich an die Forbes-Liste, welche sagt, dass Hasan Ismaik aktuell auf 300 Millionen Euro geschätzt wird. Können Sie uns ein wenig aufklären, wie ernst man Forbes nehmen kann?

Die Forbesliste ist eine Amateurliste. Da kommen Leute gar nicht vor, die wirklich Geld haben. Ich habe noch nie den Sultan von Brunei aufgelistet gesehen. Er ist x-facher Milliardär haben. Er hat das Geld aus sechs Generationen angesammelt. Oder die Unternehmerfamilie Reimann ist eine der wohlhabendsten Familien aus Deutschland. Ich kann Forbes nicht ernst nehmen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass reiche Menschen es nötig haben, Forbes über ihr Vermögen zu informieren. Die Susanne Quandt wird kaum auf die blöde Idee kommen, in der Forbes-Redaktion anzurufen. Es gibt keine richtigen Reichenliste. Punkt! Reiche Menschen reden nicht über Geld, sie geben es nur aus (lacht).