VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

1860-Allesfahrer Roman Wöll ist ein wandelndes Löwen-Lexikon. Er kann viel aus der großen Zeit der Blauen erzählen. "Als Trainer Eckhart Krautzun im Januar 1979 zu den Löwen wechselte, standen 4000 Fans beim ersten Training Spalier. Auch wegen der vier Neuzugänge, darunter Torwart Thomas Zander", erinnert sich Wöll: "Deswegen ist es für mich enttäuschend, dass heute zum Trainingsauftakt - und das noch dazu an einem Samstag und bei einem Top-Wetter nur 160 Zuschauer kommen. Das ist ist schon traurig, aber passt sich natürlich der Situation an..."

Gedrückt war die Stimmung an der Grünwalder Straße 114 - der Stachel der Enttäuschung nach der äußerst kuriosen 14-Stunden-Mitgliederversammlung vom vergangenen Wahlsonntag sitzt noch tief. Und deswegen war es nicht verwunderlich, dass auch eine Woche danach bei den Kiebitzen noch viel darüber gesprochen wird.

Ein junger Löwen-Anhänger (um die 28) lief am Spielfeldrand zum großen “Experten” auf, als er einem jahrzehnte-langen Fan erklären wollte, dass die Verwaltungsratswahl doch ideal verlaufen sei. “Ich bin so froh, wie es ausgegangen ist”, jubilierte er: “Was wollt ihr mit dem Lutz? Der war doch bei der BayWa schon keiner…” Was man wissen muss: Klaus Lutz, heute IHK-Boss, war 15 Jahre Vorstand beim Münchner Unternehmen BayWa, das 2022 noch erfolgreicher als der DAX war. Da ist es natürlich verständlich, wenn ein junger Löwen-Fan mit seinem Insiderwissen prahlt und versucht einem Rentner zu erklären, wie der Hase läuft…

Von den 21 Profis im stark reduzierten Löwen-Kader standen an diesem warmen Samstagmittag nur 19 Spieler auf dem Platz: Fabian Schubert, der aus St. Gallen an die Isar wechselte, fehlte aus privaten Gründen (Nachwuchs wird erwartet) - und bei Tunay Deniz reichte es nicht für ein Mannschaftstraining. Der Deutsch-Türke kam gegen Ende der Einheit mit den Turnschuhen zum Fünferplatz, setzte sich dann auf die Trainerbank, von der Präsident Robert Reisinger (“Wir als e.V. haben geliefert”) mit Sohnemann Raphael das Treiben auf dem Platz begutachtete. Löwen-Adabei Peter Seeböck durfte freilich nicht fehlen.

Insgesamt acht Neuzugänge hat der TSV 1860 in diesem Transfersommer verpflichtet - bei 20 Abgängen. Und auch in der Geschäftsstelle gibt es gravierende Veränderungen, die Pressestelle wurde von vier Mitarbeitern erstmal auf eine Position (Rainer Kmeth) zusammengestrichen. Und Physiotherapeut Nick Wurian ist auch erstmal alleine - spart man hier wieder einmal im falschen Bereich?

Die beiden 50+1-Geschäftsführer Oliver Mueller und Dr. Christian Werner, der noch bis Juli gleichzeitig eine Lehrerstelle in Freiberg ausfüllt und von e.V.-Seite dreimal im Jahr 2023 als Sportchef abgelehnt wurde, um dann als Boss aufzusteigen, sitzen bei 1860 erstmal fest im Sattel. Aber was ist, wenn der neue Biss des Löwen nicht passt? Ausreden gibt es jetzt definitiv keine mehr - auch nicht, dass angeblich ein Ismaik-Vertreter irgend etwas beeinflusst hätte…

Zur Erinnerung: Die letzten sieben Jahre hatte der e.V. die VOLLE Verantwortung über die Entwicklung des Profifußballs des TSV 1860. Das Ergebnis ist: Drittliga-Dino! Aber wie sagte nicht Präsident Robert Reisinger? Siehe Zenith-Halle: “Der e.V. hat geliefert.”