VON OLIVER GRISS

Die Nachwehen der 1860-Mitgliederversammlung sind deutlich: Das höchste Vereinsgremium hat sich gegen einen Neuanfang bei Münchens großer Liebe entschieden, bestätigte den Kurs des alten Verwaltungsrats. Wir haben mit Bau-Unternehmer Franz-Josef Obermaier aus Forstern, einer der Herausforderer, über den "schwarzen Sonntag" gesprochen. Das db24-Interview:

db24: Herr Obermaier, haben Sie den 13,5-Stunden-Marathon in der Zenith-Halle schon verdaut?

FRANZ-JOSEF OBERMAIER: Ich bin ehrlich: Ich hatte es mir im Vorfeld eigentlich schlimmer vorgestellt, dass die Stimmung noch explosiver wäre. Nur bei den Redebeiträgen von Robert Reisinger und Oliver Mueller ist die Atmosphäre deutlich ins Negative gekippt. Ich kenne keinen Menschen, der eine größere negative Energie versprüht als Reisinger. Sowas habe ich noch nie erlebt. Und dann Mueller. So geht das nicht. Er ist Angestellter und schlägt sich klar auf eine Seite. In jedem anderen Unternehmen hätte er am nächsten Tag seine Papiere abholen können. Gott sei Dank hält sich Dr. Christian Werner aus allem raus. Er leistet bis jetzt auch ordentliche Arbeit. Mal schauen, wie sich seine Neuzugänge auf dem Spielfeld darstellen. Aber Reisinger und Mueller passen gut zusammen, gleichgesinntes gesellt sich gerne. Ich bin gespannt, wie lange das gut geht.

db24: Das sind sehr deutliche Worte…

Ja, ich nehme kein Blatt vor den Mund. So geht man nicht miteinander um. Das ist die von mir angeprangerte fehlende Menschlichkeit bei 1860. So wird man keinen Schritt vorankommen. Reisinger hat in seiner Rede auch von 2011 gesprochen - und immer wieder betont, wie der e.V. in den letzten Jahren geliefert hat. Was hat er geliefert? Er hat ganz bewusst in Kauf genommen, die Mitglieder anzustacheln. Dabei hat er vergessen, dass er schon viel länger Bestandteil des Führungszirkels ist. Deswegen braucht er den Abstieg 2017 nicht auf die Ismaik-Seite zu schieben. Reisinger stand auch 2017 schon in der Verantwortung, als stellvertretender Verwaltungsratsboss. Was ich auch verantwortungslos finde, war die Tatsache, dass bei der Bekanntgabe der Wahl-Ergebnisse das Scheichlied gesungen wurde und Fahnen geschwenkt wurden - und das Präsidium Reisinger nicht eingegriffen hat. Das spricht für den Charakter. Was ich auch sehr schade finde: Meisterlöwe Fredi Heiß fragte das Präsidium, den Verwaltungsrat noch der Zukunft - und bekam keine Antwort. Ich sage deutlich: Reisinger ist mir ein Dorn im Auge.

db24: Sie haben bei der Verwaltungsratswahl 494 Stimmen erhalten. Wie waren Sie mit ihrem eigenen Ergebnis zufrieden?

(lacht): Es hätten mehr Stimmen sein können. Ich glaube, dass meine Rede ganz gut angekommen ist. Ich war einer der wenigen, der nicht ausgepfiffen worden ist. Ich musste meine Rede wegen des Zwischenapplaus’ mehrfach aussetzen. Nicht wenige haben mir nach meiner Rede gratuliert. Nachdem ich von der Bühne gegangen war, kam ein Ultra zu mir. Er sagte: “Sehr gutes Statement! Aber wir müssen leider die Unseren wählen!” Das hat mir gefallen, weil er ehrlich war. Das hat das Ganze gut widergespiegelt - Gruppenzwang schlägt Vernunft…

db24: Warum fiel das Ergebnis zu Gunsten von Pro1860 so deutlich aus?

Ich bin ja selbst Vorstand in einem Verein: So wie 1860 die Mitgliederversammlung aufbaut, so macht man das nicht. Das ist unanständig und unzumutbar. Die Wahlen macht man nicht am Ende. Für mich war die ganze Veranstaltung gesteuert - und so kommt man dann eben zu so einem Ergebnis. Wer setzt sich freiwillig 13,5 Stunden bis kurz vor Mitternacht in eine Halle, wenn er mehrere 100 Kilometer heimfahren und am nächsten Tag um sechs morgens wieder aufstehen muss. Ich denke aber trotzdem: Wenn 3.500 Mitglieder gekommen wären, wäre Pro1860 weg gewesen. Aber so läuft’s weiter bis bisher. 1860 hat eine große Chance verpasst. Schade!

db24: Unbeantwortet blieb auch die quälende Stadion-Frage…

Die Löwen können keine Prognose abgeben - weil sie es selbst nicht wissen. Ich finde: Man kann dem Steuerzahler nicht vermitteln, dass das Grünwalder Stadion für 100 Millionen Euro umgebaut werden soll - und das für nur 3.000 Plätze mehr. Und ob es dabei bleibt, weiß keiner: Die Rohstoffpreise sind in den letzten Jahren explodiert. Der Baupreis wird nicht mehr runtergehen, die Löhne und Gehälter sind deutlich gestiegen. In meinen Augen ergibt es keinen Sinn, das Grünwalder auf diesem Niveau zu sanieren - nur, dass du in der Nostalgie baden kannst. Mit einem Fassungsvermögen von 35.000 bis 40.000 hätte ich kein Problem, auch wenn es selbst dann uns nicht gehören würde.

db24: Werden Sie 2027 zur nächsten Verwaltungsratswahl wieder antreten?

Nachdem ich in den ersten Tagen schon sehr enttäuscht war, habe ich in mir wieder meinen Kampfeswillen entdeckt: Ich lass nicht locker! Ich würde gern ins Präsidium. Bei 1860 ist so vieles möglich.

db24: Auch mit Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik?

Ja, natürlich! Ich habe Ismaik kennengelernt. Ich saß auf seiner Couch, auf der eigentlich andere hätten sitzen sollen. Er ist genau so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Er ist sehr freundlich, interessiert und intelligent. Ich bin mir sicher, dass du mit Ismaik was bewegen könntest. Aber solange bei 1860 nicht miteinander, sondern gegeneinander gearbeitet wird, ergibt alles keinen Sinn.

db24: Haben Sie auch zum Bündnis eine Meinung?

Das Bündnis wirkte auf mich in jedem Fall geschlossen. Die Rede von Martin Gräfer hat mir gefallen, Klaus Lutz war die Enttäuschung anzumerken. Ich hätte gedacht, dass das Bündnis mehr Mitglieder aktivieren kann. Letzten Endes waren es aber zu wenig. Wenn man überlegt, was man hätte haben können und was man jetzt hat, da stellt es mir die Haare auf. Was man neidlos anerkennen muss: Pro1860 war viel besser organisiert.

db24: Freuen Sie sich jetzt auf den Drittliga-Start?

Logisch! Ich hoffe, nur das Beste für 1860! Aber ich bin nicht so optimistisch eingestellt, dass unsere Löwen um den Aufstieg spielen könnten. Wir haben eine zusammengewürfelte Mannschaft mit guten Individualisten. Man muss beachten, dass die Liga starke wie lange ist. Ich verstehe die Ultras nicht: Ihr Verein wird kleingehalten, sie werden kleingehalten - und das alles nur, um Ismaik wegzubekommen. Ich würde mich mal gern mit den Ultras treffen. Wir haben keinen schlechteren Namen als Köln oder Mönchengladbach, geben uns aber mit der Ist-Situation zufrieden. Man muss Ismaik nicht hofieren, aber mit ihm zusammenarbeiten. Ich bin froh, dass er klare Kante zeigt. Haben sich die Ultras schon mal überlegt, was passiert, wenn bei 1860 ein Großkonzern wie BMW einsteigt? Dann wird richtig aufgeräumt! Dann wünschen sich viele Hasan Ismaik zurück…