VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Vor einigen Monaten sorgte die Biss-Präsentation von Neu-Geschäftsführer Oliver Mueller für einige Irritationen. Nicht nur, weil die Löwen bis 2029 die Nummer 2 in Bayern sein wollen, sondern auch deshalb, weil der frühere Geschäftsführer der Kölner Haie die bayerischen Kontrahenten in einem Planeten-Vergleich wenig schmeichelhaft eingestuft hat. Den 1. FC Nürnberg, heute ab 15.30 Uhr Testgegner in Roth, wurde "Traditionell! Nürnberger Bratwurst! Franken - Nicht-Bayern, aber fast Preußen!" beschrieben. Die Kern-Botschaft: "Nürnberg - lieber Fünfter als Fürther!" Wir haben beide Vereine vor dem prestige-trächtigen Freundschaftsderby, das live und kostenlos auf dem Nürnberger Youtube-Kanal übertragen wird, verglichen. Gute Kontrolle: Beide Klubs sollten auf dem selben Vorbereitungsstand sein - 1860 und Nürnberg starten Anfang August jeweils in ihre Saison. Der db24-Planeten-Check:

Die sportliche Situation: Der 1. FC Nürnberg, der nun bereits seit sechs Jahren in der Zweiten Liga spielt, befindet sich nach einer enttäuschenden Vorsaison mit Platz 12 (wieder einmal) im Umbruch-Modus: Die Kader-Reparaturen von Olaf Rebbe sind noch nicht abgeschlossen. An der Noris wartet man auf das Ende der EM und hofft, dass der Markt dann so richtig in Bewegung kommt. Die Löwen sind inzwischen zum Drittliga-Dino aufgestiegen, haben nach der vergangenen Saison mit Platz 15 rekordverdächtig 20 Spieler verabschiedet. Neun Profis, darunter auch teilweise interessante Namen wie Raphael Schifferl, Thore Jacobsen oder David Philipp, wurden verpflichtet. Nummer 10 könnte ein Torwart sein - Rene Vollath aus Unterhaching? Beide Klubs werden auch in den jeweiligen Ligen mutmaßlich nicht um den Aufstieg spielen. Ein Ziel hat man an der Grünwalder Straße 114 immer noch nicht ausgegeben.

Der Gesamtmarktwert: Die Nürnberger liegen selbstredend deutlich vor den Löwen - mit 24,6 Millionen Euro. Damit rangieren die Franken auf Rang sieben in der Zweiten Liga. Die Blauen kommen auf 5,8 Millionen Euro und pendeln sich damit auf Position 11 ein. Dass sich aufsteigen aber lohnt, zeigt u.a. der Verkauf am Valznerweiher von Can Uzun. für 11 Millionen Euro an Eintracht Frankfurt. Der Rekordverkauf bei 1860 ist bis heute Daniel Bierofka, der Anfang der 2000er zu Bundesliga-Zeiten für 4,4 Millionen Euro zu Bayer Leverkusen wechselte. Allein daran sieht man, wie sich der Fußball verändert hat.

Die Finanzen: Der Umsatz der Nürnberger lag 2023 bei 51,2 Millionen Euro - das Geschäftsjahr 2022/23 wurde mit einem Gewinn von 300.000 Euro abgeschlossen. Zahlen, wovon die Löwen träumen können: Der Umsatz des Drittliga-Dinos soll zwischen 13 und 14 Millionen Euro liegen. Das Defizit wurde mit rund 1,7 Millionen Euro bereits öffentlich gemacht. Bei beiden Klubs regiert aber der Rotstift. Die Corona-Pandemie hat beim FCN ein tiefes Loch gerissen und viele Träume zerstört. In der Spielzeit 2019/2020 verbuchte der Klub ein Minus von 9,4 Millionen Euro. In dieser Saison baut 1860 - zumindest offiziell - auf einen Etat von 4,5 Millionen Euro, Nürnberg liegt zwischen 14 und 16 Millionen Euro.

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Der Trainerstuhl: Während bei 1860 der in der Winterpause verpflichtete Agis Giannikis das erste Mal eine Saison mitgestalten darf, setzt der 1. FC Nürnberg nach dem Abschied von Cristian Fiel (zu Hertha BSC) auf ein äußerst prominentes Gesicht im Weltfußball: Miroslav Klose, den Weltmeister von 2014. Keiner hat mehr Tore für die DFB-Auswahl geschossen als Klose - in der Zahl 71 Treffer. Für den früheren Top-Torjäger ist dies die erste Cheftrainerstation im deutschen Profifußball. Interessant: Kloses Söhne Noah und Luan spielen in der U21 des TSV 1860. Überhaupt: Beide Vereine sind nicht dafür bekannt, dass sie auf Kontinuität auf der Trainerbank setzen. Während 1860 seit dem Zwangsabstieg 2017 mit Daniel Bierofka, Oliver Beer, Michael Köllner, Maurizo Jacobacci, Frank Schmöller und Giannikis bereits sechs Übungsleiter einsetzte, übertrifft dies der FCN im selben Zeitraum deutlich: Klose ist Trainer Nummer 11.

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Die Geschichte: Nürnberg ist mit neun deutschen Meisterschaften und vier Pokalsiegen einer der traditionsreichsten Vereine Deutschlands. Der letzte große Erfolg war der DFB-Pokalsieg 2007. Und die Löwen? Zehren noch immer von ihren zehn Jahren Bundesliga ohne Unterbrechung. 1999/2000 war die Highlight-Saison mit Platz vier und anschließenden Qualifikationsspielen gegen Leeds United. Seitdem geht es rasant nach unten.

Die Jugendarbeit: Der Club legt großen Wert auf den Nachwuchs, der Verein hat vor einigen Jahren der FCN-Legende Michael Wiesinger (früher auch 1860) den Schlüssel für das NLZ übergeben. Der Zweitligist sieht sich als Ausbildungsverein - wie die Löwen eine Klasse tiefer. Die beiden Klubs arbeiten im NLZ auf dem ziemlich selben Niveau. Die Vereinskasse hat wenig davon: In den letzten Jahren sind immer wieder Talente ablöserei gewechselt, zuletzt Mansour Ouro-Tagba nach Köln, zuvor Marius Wörl nach Hannover.

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Die Stadion-Träume: Beide Vereine wollen sich in diesem Bereich entwickeln - und das obwohl die Club-Heimat wesentlich moderner ist als das 1860-Wohnzimmer auf dem Giesinger Berg. Während ein Teil bei 1860 am Grünwalder Stadion festhalten will und dadurch bewusst in Kauf nimmt, dass die Löwen nicht mehr entscheidend wachsen können, plant man in Nürnberg eine neue moderne Spielstätte. Für 250 Millionen Euro soll das Max-Morlock-Stadion zu einer modernen Fußball-Arena ohne Tartanbahn werden. Das geht aus einem Stadtratsbeschluss aus Juli 2023 hervor. Das Stadion soll kleiner werden, man plant mit 40.000 Plätzen. Der große Stadion-Umbau bei 1860 würde nur etwas mehr als 3.000 Plätze bringen - bei Kosten von rund 100 Millionen Euro. Aus dem Münchner Rathaus ist weiterhin zu hören, solange man bei 1860 nicht mit einer Stimme spricht, werde es keinen Fortschritte geben. Rosige Aussichten…

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Die Fanbase: Beide Vereine können jeweils auf ihre treuen Anhänger zurückgreifen. Während der Club auf einen Zuschauerschnitt von 34.416 (!) Fans pro Partie stolz sein kann, kommt 1860 auf die Maximalauslastung von 15.000 Fans auf Giesings Höhen. Allein daran sieht man, was den Löwen fehlt - Platz! Bei den Mitgliederzahlen hat Nürnberg gegenüber 1860 auch die Nase vorn: Der Zweitligist kommt auf 32.069 Mitglieder und liegt deutschlandweit auf Rang 17, die Löwen hatten vor der rekordverdächtigen MV am 16. Juni 27.000 Mitglieder. Damit ist 1860 auf Platz 26.

Die Interaktivität: Der Club freut sich auf Instagram über 216.000 Follower, die Löwen liegen in diesem Vergleich deutlich hinter den Franken und kommen auf 127.000. Auch auf Facebook ist der Unterschied deutlich: Nürnberg (320.621 Follower) liegt deutlich vor 1860 (190.042). Auf TikTok ist der Unterschied nicht anders: Während der Club auf 120.307 Follower kommt, muss sich 1860 auf diesem Kanal mit 19.072 Followern zufrieden geben. Der einschneidende Personalabbau in der 1860-Pressestelle wird nicht dazu beitragen, dass der Abstand auf die Nürnberger in diesem Bereich verkürzt werden kann.

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Die Statistik: 34mal standen sich die beiden Klubs in der Bundesliga und Zweiten Liga insgesamt gegenüber: Die Löwen konnten dabei 14 Siege einfahren, Nürnberg gewann elfmal. Dazu gab es neun Unentschieden. Das letzte Duell um Zweitliga-Punkte gewann 1860 am 20. Februar 2017 durch Tore von Ba und Lumor mit 2:0. Im vergangenen Sommer duellierten sich beide Vereine bei einem Blitzturnier in Unterhaching, 1860 verlor deutlich mit 0:3.