VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Harald Cerny wird womöglich für immer diesen Rekord des TSV 1860 behalten: Er hat zwischen den Jahren 1996 und 2004 238 Bundesliga-Spiele für die Löwen absolviert - so viel wie kein anderer Profi vor und nach ihm. Und dass der Altmeister von 1966 irgendwann wieder im Oberhaus spielen wird, das ist unter den aktuellen Voraussetzungen so wahrscheinlich, als wenn das Oktoberfest von der Theresienwiese verschwindet...

Obwohl der frühere österreichische Nationalspieler, der vor kurzem in Straßlach die Spielerberatungsagentur PlayVolution gegründet hat, zur Zeit keine Berührungspunkte mit 1860 hat, verfolgt er das Geschehen an der Grünwalder Straße 114 ganz genau. Zuletzt hat er die Blauen sogar beim Testkick in Wien gegen die First Vienna (0:0) live vor Ort beobachtet. “Es geht so weiter wie bisher - das ist meine Prognose”, glaubt Rekord-Löwe Cerny im db24-Gespräch: “Es muss sich nicht nur im Sportlichen, sondern auch etwas Grundsätzliches etwas verändern. Die Grundbedingungen stimmen nicht. Bei 1860 gehen nicht alle in die selbe Richtung - und das ist alles andere als förderlich für einen Profiverein. Somit sehe ich langfristig nicht die Möglichkeit, in die Zweite Liga aufzusteigen.”

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Dass Sport-Geschäftsführer Dr. Christian Werner zuletzt die hohe Erwartungshaltung im Löwen-Umfeld kritisierte, findet Cerny wenig förderlich: “Ich habe das Interview überflogen. Als 1860 muss ich in der Dritten Liga immer das Ziel haben, oben mitzuspielen. Das ist nicht zu viel verlangt. Werner gibt der Mannschaft damit jetzt schon ein Alibi, deswegen halte ich solche Aussagen für schwierig und kontraproduktiv. Das war ein schlechtes Signal. Man kann auch mit einem Umbruch und einem kleineren Etat oben mitspielen. Was sollen denn jetzt die Fans denken? Dass 1860 den Klassenerhalt schafft, das will keiner hören. So entfacht man keine Euphorie. Wer bei 1860 einen Vertrag unterschreibt, sollte schon wissen, bei welchem Verein er gelandet ist.”

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Und sowieso findet Cerny die Kommunikationsstrategie bei den Löwen stark gewöhnungsbedürftig. Noch im April hatte der TSV auf der sogenannten Biss-Präsentation von Platz 2 in Bayern bis 2029 gesprochen. “Man sollte sich schon mal einig sein, was man eigentlich will”, erklärte der frühere Außenbahnspieler: “Ich weiß nicht, welche Glaskugel die bei 1860 stehen haben. Ich kann mir das beim besten Willen nicht vorstellen, dass sich in den nächsten Jahren bei 1860 so viel ändern wird, dass man diese Ansprüche auch mit Taten untermauern kann.”

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Dass die Löwen es in den letzten Jahrzehnten auch selten geschafft haben, verdiente Spieler einzubauen, bedauert Cerny ebenfalls. “Es war eigentlich nie wirklich gewollt. Der Letzte, der das forciert hat, war Stefan Reuter. Seitdem habe ich das Gefühl, dass die Ehemaligen nur lästig sind. Zumindest habe ich den Willen und den Plan noch nie richtig gespürt”, sagt der 50-Jährige und vermutet: “Das könnte auch politische Hintergründe haben. Ich bin wirklich kein Freund davon, nur Ehemalige einzubinden, damit man was gemacht hat. Es sollte schon einen Sinn ergeben. 1860 hätte sich auch mit den Bender-Zwillingen schmücken können. Das hätte einen Ruck durch den ganzen Verein geben können. So muss man sagen: Das ist ein Top-Coup der Hachinger. Sven und Lars sind zwei schlaue Burschen, die alles erlebt haben.” Deswegen hätte es db24-Tippexperte Cerny (“Ich hoffe auf ein 1:0 gegen Saarbrücken - ich habe den Löwen immer noch im Herzen und drücke selbstverständlich die Daumen für eine erfolgreiche Saison”) auch begrüßt, wenn im vergangenen Jahr sein Kumpel Horst Heldt die Offerte der Löwen angenommen hätte. “Das hätte gepasst, Horst hätte die Löwen in ein anderes Level führen können. Er hat so unglaublich viel Erfahrung und einfach die Kontakte für diesen Job.”

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