VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Sagen wir es mal so: Die Pokal-Bilanz der Löwen ist sehr bescheiden. Im großen DFB-Pokal darf der TSV 1860 schon seit zwei Jahren nicht mehr teilnehmen - und im Toto-Pokal flog der Klub, der 2020 unter Michael Köllner einmal den Wettbewerb gewinnen konnte, in den letzten Jahren frühzeitig immer raus. Peinlich war vor allem das Viertelfinal-Aus im vergangenen Jahr beim Bayernliga-Klub Pipinsried (0:1), in den Jahren zuvor war man u.a. an Aubstadt, Illertissen und Aschaffenburg gescheitert.

Wie weit kommen die Löwen in dieser Saison? Klar dürfte sein: Eine Blamage in der ersten Runde droht der Giannikis-Elf nicht, zu tief spielt der heutige Gegner SSV Kasendorf (18.30 Uhr, db24-Ticker). Der oberfränkische Kreissieger ist nach einer Revolte von der Bezirksliga freiwillig in die Kreisklasse abgestiegen - und selbst dort bleiben die Ergebnisse aus: Nach vier Spieltagen steht der SSV mit null Punkten und einem Torverhältnis von 4:13 auf dem vorletzten Platz. Und trotzdem freuen sich die Oberfranken aus dem Landkreis Kulmbach tierisch auf die Löwen.

1000 Tickets sind bereits verkauft - man wünscht sich Kirchweih-Stimmung im schmucken 2.500-Einwohner-Markt. “Wir haben einen Zuschauerschnitt von 50 Fans pro Spiel. Wir hatten aber schon mal 4.000 Zuschauer bei einem Spiel 2012 gegen den 1. FC Nürnberg (1:12, d. Red.) - wir haben also Platz für viele Löwen-Fans in Oberfranken. Wenn 2.000 oder 3.000 Fans kommen, dann sind wir sehr dankbar”, sagt SSV-Vorstand Bastian Hugel, der heute selbst auf dem Rasen stehen wird - als Rechtsverteidiger. Eigentlich hatte der 26-Jährige seine Karriere schon beendet, aber durch den Personal-Notstand in Kasendorf bindet er seine Schuhe wieder. Und Hugel darf heute gegen die Drittliga-Profis aus München auflaufen. “Unsere Bezirksliga-Mannschaft hatte den Kreispokal geholt”, sagt Hugel, “aber die ist nicht mehr da - und so kommt die Kreisklassen-Elf nun in den Genuß gegen Profis zu spielen. Das ist für unseren Verein eine Riesenmöglichkeit und ein einmaliges Erlebnis. Wir können den Leuten zeigen: Unser Verein lebt weiter.”

Im Tor steht bei Kasendorf mit Jochen Böhnlein ein glühender Löwen-Fan. “Er ist Lebensmitglied bei 1860”, berichtet Hugel, der selbst dem 1. FC Nürnberg verbunden ist: “Jochen wäre Allesfahrer, wenn er nicht bei uns das Tor hüten würde. Am Freitag war er auch im Grünwalder Stadion. Er ist ziemlich deprimiert mit dem 0:1 gegen Saarbrücken im Gepäck zurückgekehrt.”

Der “Fränkische Tag” schreibt vor dem Aufeinandertreffen der ungleichen Klubs: “Die Parallelen zwischen Kasendorf und 1860 München.” Angelehnt an die Turbulenzen der beiden Vereine.

Ein Wunschergebnis hat Hugel nicht. “Wir haben keinen Matchplan. Wir wissen selbst, dass wir 1860 nicht das Wasser reichen können. Wir wählen keine besondere Taktik, wir wollen uns nicht zu sehr in den eigenen Strafraum drängen lassen”, erklärt der Siemens-Mitarbeiter, der sich heute möglicherweise noch einmal frei genommen hat, damit der Tag in Kasendorf von Anfang bis zum Ende gut durchgeplant ist: “Wir wollen das alles genießen.”

Und wer weiß: Vielleicht schaut auch 1860-Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik in Kasendorf vorbei. Er ist gestern in München gelandet - und wollte sich einen Spontan-Besuch in Oberfranken offen lassen. “Wir wissen noch nichts, ob Ismaik kommt”, sagt Hugel und warnt schmunzelnd: “Wir haben aber keinen VIP-Bereich…”