VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Noch am Donnerstag unmittelbar nach dem 10:0-Schützenfest im Toto-Pokal bei Bezirksligist FC Thalhofen erklärte Trainer Agis Giannikis gegenüber der "tz": "Wir wussten, dass die Pause kommt - und wir wollen sie gut nutzen. Ziel ist es, unsere Spielidee anzupassen, zu optimieren und weiterzuentwickeln." Am vergangenen Wochenende wurden die Löwen aber auf dem Trainingsgelände an der Grünwalder Straße 114 gar nicht gesichtet: Weder am Samstag noch am Sonntag.

Möglicherweise hatte Giannikis aber “Hausaufgaben” verteilt - und so beginnt erst heute um 15 Uhr die Vorbereitung auf das eminent wichtige Heimspiel gegen Viktoria Köln (Sonntag, 13.30 Uhr, db24-Ticker). Gesichert ist nach db24-Informationen auch, dass die Mannschaft heute noch einen Abendtermin hat: Im Münchner Werksviertel am Riesenrad. Dabei kommt es zu einem Treffen mit allen Mitarbeitern, Funktionären und Sponsoren. Vielleicht ist diese Gelegenheit gar nicht mal so schlecht, um dem ein oder anderen Protagonisten die Augen zu öffnen und alle Beteiligten sehen, dass 1860 München noch immer ein ganz besonderer Arbeitgeber ist.

Für Trainer Giannikis wird diese Woche möglicherweise die wichtigste seit er bei den Löwen ist: Der Fehlstart der Mannschaft ist historisch - zwei Niederlagen in Folge gab es in der Dritten Liga noch nie. Nachdem Präsident Robert Reisinger auf der Mitgliederversammlung noch groß getönt hat, dass der e.V. geliefert hätte (was auch immmer), muss jetzt Giannikis selbiges tun: Liefern, Agis!

Und die Giesinger Baustellen haben es wahrlich in sich - die db24-Übersicht:

Die System-Frage: Nachdem db24 bereits in der Vorbereitung ein Fragezeichen hinter das anspruchsvolle 4-2-2-2-System setzte und nun auch der Boulevard nachgezogen hat (“Hat die Krise System?”), wird Giannikis in sich gehen müssen: Was ist die beste Systematik für seine Mannschaft? Beim 1:3 gegen den VfB Stuttgart 2 spielten die Löwen gegen den Ball in einem 5-3-2-System - wobei sich aber schnell herausgestellt hat, dass Verlaat & Co. auch mit dieser defensiven Variante gefremdelt haben. Vielleicht sollte sich die sportliche Kommandobrücke aber einfach auch mal hinterfragen: Hat 1860 vielleicht nicht das richtige Personal für extrovertierte Systeme? Der etatmäßige Linksverteidiger Leroy Kwadwo hat seine Stärken im Zweikampf und ist in seiner Karriere bislang nicht dafür bekannt, dass er die Linie auf- und abläuft. Sein Stellvertreter Florian Bähr hat beim Toto-Pokal-Schützenfest gegen Thalhofen nicht unbedingt gezeigt, dass er dieser Rolle gewachsen ist. Auf der anderen Seite machte es Reich in der Vorwärtsbewegung ordentlich, trotzdem war er bei genauem Hinschauen bei zwei Gegentoren mit dabei. Im deutschen Profifußball spielt übrigens nur RB Leipzig ab und an im 4-2-2-2, aber in der Dritten Liga ist 1860 der Pionier. Erschwerend hinzu kommt, dass sich in der Vorbereitungsphase eine Stammelf auch gar nicht einspielen konnte, weil Giannikis zu keiner Zeit die Karten auf den Tisch gelegt hat. Das holt Sechzig jetzt ein.

Das Torwart-Duell: Dass schon am zweiten Spieltag die Rufe nach Kurven-Torwart Marco Hiller kommen, macht für Giannikis die Arbeit nicht einfacher - und setzt ihn, aber auch die Nummer 1 Rene Vollath immer mehr unter Druck. Dabei war das 0:3 aus 60 Meter, das Vollath in Großaspach kassiert hat, kein Torwartfehler - und trotzdem sang die Kurve: “Hiller, Hiller, Hiller.” Ein Zustand, der beweist, mit welchen Einflüssen Trainer Giannikis bei 1860 zu kämpfen hat. Frag nach bei Ex-Trainer Maurizio Jacobacci: Er hatte im Vorjahr David Richter letztlich das Vertrauen ausgesprochen, nachdem Hiller bei der Toto-Pokal-Pleite in Pipinsried (0:1) wackelte und zudem aus des Trainers Sicht nicht als Leader aufgetreten war. Kurz danach drohte Hiller mit einem Wechsel - doch vorher wurde Jacobacci gefeuert. Der Boulevard schrieb, dass der Italo-Schweizer über die Personalie Hiller gestolpert sei. Richter ist in der Sommerpause zum VfL Osnabrück geflüchtet.

Die Sturm-Flaute: Ja, beim 1:3 gegen den VfB Stuttgart 2 reichte es immerhin zum ersten Treffer: Kurz vor Schluss erzielte Neuzugang Fabian Schubert nach Guttau-Flanke das erste Saisontor. Doch insgesamt gesehen ist der Löwen-Angriff trotz der Schützenfeste gegen unterklassige Gegner im Toto-Pokal nur ein laues Lüftchen. Gegen die Schwaben setzte Giannikis den sprintschwachen Patrick Hobsch, der in der Vorbereitung gegen Straßburg (2:1) und Nürnberg (1:1) getroffen hatte, 90 Minuten auf die Bank - mit nachhaltigem Vertrauen hat das wenig zu tun. In der Vorsaison erzielte Hobsch für die SpVgg Unterhaching immerhin 13 Saisontore - klar ist aber auch: In der aktuellen Spielweise wird Hobsch diese Marke niemals erreichen können. Er braucht Flanken über die Außenpositionen. Nur dann wird er glänzen können.

Die Unerfahrenheit der sportlichen Kommandobrücke: Von Krisenmanagement ist wenig zu sehen. Agis Giannikis (44) ist ein lieber netter Mensch - doch bei 1860 sind andere Attribute gefragt- und vor allem Rückgrat und Widerstand: Ein Blick in die Vereinschronik bestätigt: Bei den Löwen hatten nur Trainer Erfolg, die Profil und Ausstrahlung hatten: Max Merkel, Karsten Wettberg oder Werner Lorant. In der jüngeren Geschichte brachten auch Daniel Bierofka und Michael Köllner Ergebnisse zustande: Bierofka führte die Löwen in der Saison 2017/2018 sofort in den Profifußball zurück, unter Köllner waren die Löwen am erfolgreichsten: Zweimal Platz 4. Seit dem völlig unüberlegten, aber politisch motivierten Köllner-Rauswurf geht es nur noch bergab bei 1860. Von den letzten 13 Drittligaspielen (saisonübergreifend) hat Giannikis satte neun Partien verloren. Sein Punkteschnitt ist auf 1,24 Punkte gesunken. Eine Bilanz, die mit den großspurigen Zielen der Geschäftsführung (“Nummer zwei in Bayern bis 2029!”) kollidiert. Sport-Geschäftsführer Dr. Christian Werner kann mit seiner Aura die Zurückhaltung des Trainers derzeit nicht ausgleichen. Irritierend wirkte auch zuletzt ein Interview mit einem in München völlig unbekannten Ramon Gehrmann (früherer Trainer SGV Freiberg), der in der Halbzeitpause in Großaspach bei “MagentaSport” die Arbeit von Kumpel Werner lobte: “Er hat wirklich sehr gute Jungs verpflichtet. Ich wurde zu jedem Spieler gefragt. Alle, die verpflichtet wurden, haben auch mein Okay bekommen. Meine Expertise beruht nur auf freundschaftlicher Basis.“

Wo geht’s hin mit den Löwen?