VON OLIVER GRISS UND ULI WAGNER (FOTO)

Es war kurz nach dem Bundesliga-Abstieg 2004, als sich der große Petar Radenkovic langsam vom TSV 1860 entliebte. Er konnte die Stümperei nicht mehr länger mit ansehen. Deswegen entschloß sich der frühere Weltklasse-Torhüter in der Münchner Abendzeitung - damals noch das beliebteste Blatt in der Stadt München - mit dem damaligen AZ-Reporter Oliver Griss eine eigene (und kostenlose) Kolumne zu schreiben: Radis Welt. Nicht immer freundlich, aber immer direkt. Vor allem der frühere Präsident Karl Auer und Sportchef Roland Kneißl bekamen in dieser Anfangsphase regelmässig ihr Fett ab. Radenkovic' größter Wunsch: Der Weg in die Professionalität - und dass die Löwen wieder an die alten Zeiten anknüpfen.

Es war nur ein Wunschtraum, denn auch 20 Jahre später bekommt der TSV 1860 wenig gebacken, spielt mittlerweile nur noch in der Dritten Liga und befindet sich ganz weit weg vom richtigen Fußball.

Was Radenkovic auch nie verstehen konnte war die Verzwergung in den letzten Jahren, der sportliche Misserfolg, der fluchtartige Abschied aus der Allianz Arena mit dem Umzug ins kleine Grünwalder Stadion und das unterkühlte Verhältnis zu Mehrheitsgesellschafter Hasan Ismaik. Alles Gründe, warum man Radenkovic nie wieder bei einem Fußballspiel der Löwen gesehen hat - und das wird auch so bleiben. Der Serbe, der natürlich auch in der Jahrhundert-Elf des TSV 1860 steht, hat mit den Löwen leider abgeschlossen: “Ich könnte eine Schallplatte auflegen. Es wiederholt sich alles - der Verein lernt nicht aus seinen Fehlern.”

Der größte Fehler des TSV 1860, der aber nicht mehr zu revidieren ist: Der Klub hat sich zwar immer gerne mit der Popularität des Meister-Löwen geschmückt, aber Radenkovic’ Netzwerk nie aktiviert und ihn in die Vereinsarbeit mit eingebunden. Er hatte nie eine Funktion bei seinen Löwen. Dabei konnte er wirklich mit allen. Mit der Politik, mit zahlungskräftigen Unternehmern, mit dem Showbusiness, mit den Reichen und Schönen, mit DAX-Vorständen, sogar mit den Roten - und natürlich auch mit den Kleinen. Radenkovic wäre der ideale Türöffner für den Traditionsklub aus München-Giesing gewesen.

Morgen wird Radenkovic, der sich bester Gesundheit erfreut, stolze 90 Jahre alt: “Ich mache auch regelmässig manuelle Therapie, damit ich gut in Schuß bleibe.” Seinen runden Geburtstag wird er anders als sonst dieses Mal nur im kleinen Rahmen feiern. Nicht feudal beim Käfer in der Prinzregentenstraße wie zu seinem 80. Geburtstag, sondern mit seinen Stammtisch-Freunden in Belgrad. “Der 90. Geburtstag eignet sich nicht für eine große Party”, sagt er trocken: “Wir treffen uns aber nicht am Dienstag, sondern erst am Samstag.” Seinen letzten großen Auftritt hatte der Kult-Löwe in München im Mai 2023, als er Star-Gast beim Legenden-Tag von db24 im Kino am Sendlinger Tor war. Der Radi muss sich wie im falschen Film vorgekommen sein, als einige Unverbesserliche vor dem Kult-Kino gegen die Veranstaltung demonstrierten.

Nach München hat es der frühere Weltklasse-Torwart in diesem Jahr nicht geschafft. “Ich will auf jeden Fall bald wieder nach München kommen. Diese Stadt hat mir in all den Jahrzehnten so viel gegeben”, sagte der Radi am Montag am Handy gegenüber db24. An die Löwen denkt er nur noch selten: “Das ist ein Trauerspiel. Ich will mich nicht mehr darüber aufregen.” Er kann nur allzugut verstehen, warum andere Weggefährten mit den Löwen gebrochen haben.