VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Der König wird 90!

Petar Radenkovic, die lebende Legende des TSV 1860, feierte am heutigen Dienstag seinen nächsten runden Geburtstag, im kleinen Kreis in Belgrad. Seine zwei Telefone standen den ganzen Tag über nicht still. Während sich von den Löwen keiner meldete, riefen ihn Günter Netzer, Wolfgang Niersbach - und Fredi Heiß an. Letzterer schreibt exklusiv für db24 über seinen prominenten Mannschaftskollegen, der in den 60er Jahren wie ein Popstar in Fußball-Deutschland gefeiert wurde.

Liebe Löwen,

am Montag war ich beim Hochreiter zu unserem Wiesn-Stammtisch. Obwohl der Radi nicht da war, war er Thema - wie eigentlich immer. Wolfgang Niersbach, der frühere DFB-Präsident, saß bei uns am Tisch und wir machten ein gemeinsames Foto, um es Radi per Whatsapp zu schicken.

Ja mei, der Radi: Es ist unglaublich, wie die Zeit vergeht. Er ist jetzt stolze 90 Jahre alt. Er hat uns hier etwas voraus. Mich freut es, dass er immer noch so gesund ist und vor allem durch seine neue Frau wieder Lust am Leben gefunden hat.

Die Zeit mit Radi verkörpert die schönste Zeit meines Lebens. Wir waren eine tolle und unverwüstbare Gemeinschaft. Wir sind Freunde fürs Leben geworden. Wir hatten ja fast alles zusammen gewonnen, was man gewinnen konnte. So etwas verbindet dich für ein ganzes Leben. Er war der König. Die Fans haben ihn geliebt. Radi selbst war nicht alltäglich, er hat uns selbst am meisten überrascht. Es kam nicht selten vor, dass er mich auf dem rechten Flügel überholt hat. Sein Traum war immer: Er flankt und Rudi Brunnenmeier verwandelt den Ball volley. Er hat auch über sich selbst gesagt: “Ich bin der beste Rechtsaußen bei 1860.” Ich habe zwar ein paar Länderspiele gemacht, aber wenn der Radi das sagte, haben wir ihn in dem Glauben gelassen. So war er. Er hat einfach Sachen gemacht, die waren unglaublich.

Er war seiner Zeit immer voraus. Er war ein unglaublich toller Torwart, ein Dirigent mit einem unfassbaren Auge. Bis heute habe ich keinen besseren Torwart als ihn gesehen. Nichts gegen Manuel Neuer, aber der Radi war einfach Weltklasse. Er hatte eine Genialität, die über das Torwartspiel hinaus gegangen ist. Wenn ich lese, dass Neuer in seiner Hochzeit einen Marktwert von 40 Millionen Euro hatte, dann wäre Radi auch in dieser Kategorie gewesen.

Radi war aber nicht nur ein herausragender Sportler und Vollblut-Torwart, sondern auch ein umtriebiger Geschäftsmann. Er war der erste Spieler der Bundesliga, der sich selbst vermarktet hat. Er hatte einen Billard-Salon in Unterschleißheim, ein Hotel, einen Nachtklub und einen Wienerwald - er war ausgesprochen geschäftstüchtig. Sogar mit uns Spielern hat er versucht, Geld zu machen. Es war in der Aufstiegssaison 1962/1963 im Trainingslager im Deininger Weiher, als der Radi plötzlich ein großes Roulette mitgebracht hat. Radi war die Bank - und wir alle mussten bei ihm spielen. Am Ende musste nur er zahlen. Irgendwann war´s ihm zu bunt und dann hat er das Roulette durch die Luft gefeuert. Das war das Ende der Spielbank Radi. Wir fanden das natürlich lustig…

Unvergessen für mich natürlich auch: Wenn Max Merkel um 10 Uhr zum Training gebeten hat und wir Runden laufen mussten, dann war der Radi nicht ansprechbar und richtig stinkig. Er war ein Langschläfer - und am Morgen einfach ungenießbar. Er war ein Nachtmensch.

Was mich auch heute noch ärgert, wenn immer behauptet wird: “Die Alten haben immer gscheit daher geredet, aber nie Verantwortung übernommen!”: Das stimmt nicht! Radi wollte gemeinsam mit Peter Grosser die Führung bei 1860 übernehmen - und dieser Plan ist leider gescheitert. Dabei wäre Radi für 1860 eine Galionsfigur gewesen, hätte unglaublich viele Türen öffnen können. Ein gewisser Erich Riedl wusste Radis Bewerbung damals zu verhindern. Er war Politiker und sehr redegewandt, mobilisierte seine eigene Wählerschaft und hatte mit Jupp Kapellmann seinen eigenen Berater. Wohin das geführt hat, wissen wir alle - Lizenzentzug 1982. Es folgte das totale Chaos bei 1860 München. Die Turnhalle war weg.

Ich habe schon damals immer gewarnt: “Nicht die Tradition macht den Klub zu etwas, sondern einzig der Erfolg.” Die falsche Denkweise ist bis heute bei 1860 präsent. Es gibt eben einen großen Unterschied zwischen einem Fußballverein und einem Turn-und-Sportverein. Wir als Sechzger sind leider gefangen. Solange du so viele Gremien hast, wird es bei 1860 kein Vorwärtskommen geben. Wir haben eine Konstellation, die nicht für den Profifußball geeignet ist.

Alles Gute, Radi!