VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Der Wiesn-Besuch am vergangenen Dienstag konnte die Löwen kurzzeitig in eine andere glamoröse Welt beamen, weg von den ganzen Problemen, die den Klub seit vielen Jahren schwer belasten. Oben auf der Empore des Wiesn-Zelts - die Sechzger müssen sich in diesen Stunden vorgekommen sein wie Stars. Sogar Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter stattete den Drittliga-Löwen einen Besuch ab, während der Zirkel um Hauptgesellschafter Hasan Ismaik, Aufsichtsratsboss Saki Stimoniaris und die Vorstände von Hauptsponsor "Die Bayerische" fehlten. Entschuldigt.

Es gibt viele Baustellen an der Grünwalder Straße 114 - die db24-Übersicht:

Die Stadion-Frage: Präsident Reisinger hatte vor vielen Jahren versprochen, dass die Löwen im Jahr 2024 in einem umgebauten Grünwalder Stadion und in der Zweiten Liga spielen würden - knapp verfehlt. Aus dem Münchner Rathaus ist zu hören, dass die Umbaupläne illusorisch seien. Das Geld ist knapp in der Stadtkasse (db24 berichtete). Und dann fehlt dem Rathaus ohnehin die Zuverlässigkeit - gefühlt sieht sich die Stadt in schöner Regelmässigkeit immer wieder neuen Gesprächspartnern von 1860-Seite ausgesetzt. Das kommt alles andere als gut an. Zuletzt hatten die Löwen Besserung versprochen - und schon war Geschäftsführer Oliver Mueller, der die Gespräche aufgenommen hatte, wieder weg. Der Schwarzwälder wollte im Herbst eine Studie zum Giesinger Wohnzimmer präsentieren. Es bleibt abzuwarten, ob das Projekt auch ohne Mueller vorgestellt wird. Und sowieso: Inzwischen ist deutlich zu spüren, dass das Grünwalder Stadion selbst mit der geringen Kapazität von 15.000 Plätzen nicht mehr so richtig zieht - der sportliche Weg lässt die Begeisterung schrumpfen.

Der Turnhallen-Plan: Im Zuge der Mitgliederversammlung berichteten die Boxer, eine der Parade-Sparten des eingetragenen Vereins, von desaströsen Zuständen in der Turnhalle in der Auenstraße - der Bau einer neuen Turnhalle, die immer wieder zum Wahlprogramm gehörte, scheint aber inzwischen eingeschlafen zu sein. Was viele nicht wissen: Schon der große Ex-Präsident Karl-Heinz Wildmoser wollte eine Turnhalle am Trainingsgelände bauen. Als das Geld knapp wurde, musste die bereits ausgehobene Baugrube wieder zuschüttet werden.

der Profibereich: Die Drittliga-Mannschaft hat zwar mit drei Wiesn-Siegen in acht Tagen die Stimmung etwas gedreht, doch ob’s zu einem Dauer-Hoch langt, wird das Spiel am Samstag gegen Wehen Wiesbaden (14.03 Uhr, db24-Ticker) zeigen. Es ist ein Qualitätstest der besonderen Sorte. Immerhin konnte sich Trainer Agis Giannikis nochmal retten, nachdem er sein altes System (mit klarem Flügelspiel) reaktivierte, das ihm den Turnaround brachte. Dass diese Mannschaft für höhere Aufgaben bestimmt ist, ist nachwievor zweifelhaft - dazu fehlt ein wendiger und aggressiver Stürmer, der 15 bis 20 Tore garantiert. Prognose: Die Dino-Jahre in der Dritten Liga werden ausgebaut - und das ist nicht der Anspruch des TSV.

Das Geschäftsführer-Vakuum: Nachdem 50+1-Geschäftsführer Oliver Mueller nach nur 215 Tagen den TSV 1860 wieder verlassen hat (aus welchen Gründen auch immer - der Verein schweigt), füllt Dr. Christian Werner eine Doppelrolle aus. Er ist sehr bemüht, doch alles andere als ein Zahlenmensch und zudem extrem unerfahren. Es wird nach den letzten 50+1-Entscheidungen eine gemeinschaftliche Lösung angestrebt - doch fällt sie wirklich zum Wohl von 1860 aus? Prinzipiell ist es so, dass die Löwen eine Persönlichkeit benötigen, der die Interessen des Klubs vertritt und nicht nach Befindlichkeiten der jeweiligen Gesellschafter agiert. Durch die Aktionen der letzten Jahre hat 1860 vor allem seine Glaubwürdigkeit verloren. Aufgrund der finanziell angespannten Situation ist es verwunderlich, dass die Löwen weiterhin auf zwei Geschäftsführer setzen wollen.

Das Sponsoren-Loch: Die BayWa ist als Exklusivpartner und NLZ-Namensgeber im Sommer ausgestiegen (rund 350.000 Euro fehlen dadurch) - dazu hat 1860 mit den Bayerischen Landeswerken kurzfristig einen weiteren Exklusivpartner verloren. Ein offizielles Statement gab es dazu nicht, die BLW sind über Nacht aus der Sponsoren-Pyramide verschwunden. Das Solarunternehmen aus Unterschleißheim soll in finanzielle Turbulenzen geraten sein. Es hatte den Löwen in der Vergangenheit zwischen 200.000 und 250.000 Euro garantiert. Außerdem hat es der DFB nicht geschafft, einen Nachfolger für Ärmel-Sponsor bwin zu finden. Dadurch fehlen noch einmal 170.000 Euro. Potente Nachfolger haben die Löwen bislang nicht gefunden - erschwerend hinzu kommt, dass auch das Verhältnis zwischen Hauptsponsor Die Bayerische und 1860 nach dem Wahlkampf inklusive der Mitgliederversammlung stark belastet sein soll. Zwar hat das Versicherungsunternehmen, das seine Filiale im Bamboleo nach db24-Infos schon wieder zugesperrt hat, Vertrag bis 2027, doch die Klausel auf das Sonderkündigungsrecht könnte demnächst scharf geschaltet werden. Die Neuperlacher zahlen weit über Tarif, angeblich inklusive aller Nebengeräusche rund 1,2 Millionen Euro. Ein neuer Hauptsponsor würde 1860 wahrscheinlich nicht mehr als 500.000 Euro bringen. Wie hatte nicht Reisinger vor nicht allzu langer Zeit gesagt? “Sechzig zu verkaufen, ist nicht so schwer.”

Das Miteinander: Vereinsikone Fredi Heiß (83, seit über 70 Jahren im Klub) hat zuletzt gegenüber der “AZ” den Finger tief in die Wunde gelegt: “Leider lebt die Vereinsführung im Mittelalter. Es ist schlimm, wie sie ihren eigenen Investor bekämpfen und mit Leuten umgehen, die erfolgreiche Löwen sehen wollen. Ein Trauerspiel, deswegen gehen wir nicht mehr hin.” Heißt: Solange Reisinger & Co. weiter das Zepter in der Hand haben, kann sich der Kult-Löwe nicht mehr mit den Löwen identifizieren. Auslöser: Er hatte auf seine Fragen auf der Mitgliederversammlung keine Antworten bekommen - weder vom Präsidium, noch vom Verwaltungsrat.

Nach Heiß-Kritik: Lebt die 1860-Vereinsführung im Mittelalter?

Umfrage endete am 16.10.2024 17:00 Uhr
Nein, es ist sogar noch schlimmer!
50% (1654)
Ja, absolut!
42% (1399)
Was wollt ihr? Reisinger & Co. machen doch einen guten Job!
8% (266)

Teilnehmer: 3319

die Präsidenten-Frage: Robert Reisinger sieht sich auf dem richtigen Weg. Dass der TSV 1860 stagniert beziehungsweise in der Wahrnehmung immer uninteressanter wird, das wird natürlich ausgeblendet. Man darf gespannt sein, ob Reisinger noch einmal kandidiert oder der Verwaltungsrat einen anderen Spitzenkandidaten vorschlägt. Im Flurfunk werden seit geraumer Zeit zwei Kandidaten gehandelt: Der neue Verwaltungsrat Christian Dierl und Gernot Mang, der es im Wahlkampf verpasst hat, sich richtig zu positionieren.