VON OLIVER GRISS

Roman Wöll zählt zu den bekanntesten Gesichtern im Fanbereich des TSV 1860. Er ist seit Jahrzehnten als sogenannter Allesfahrer unterwegs. Gestern feierte Wöll im Pfarrheim in Berg am Laim mit Familie und Löwen-Spezln seinen 70. Geburtstag (alles war mit Sechzig-Fanutensilien dekoriert) - und klar: Übergeordnetes Thema war im Saal vor allem auch die wenig aufbauende Gegenwart des Giesinger Traditionsvereins. Das db24-Interview:

db24: Herr Wöll, alles Gute noch einmal zu Ihrem Ehrentag: Wie fühlt man sich mit 60+10?

ROMAN WÖLL: Ja, mei: Man weiß halt, dass die Zeit immer kürzer wird, um 1860 nochmal in der Bundesliga zu sehen. Es war aber eine wahnsinning schöne Feier. Es wurde gut gegessen und gut getrunken. Alles war weiß-blau - so wie es gehört. Den Tag vergesse ich mein Leben nicht. Karsten Wettberg war da, der auch schon zu meinem 60. Geburtstag gekommen war, oder auch Hans Sitzberger, unser ehemaliger Vize-Präsident - besonders gefreut habe ich mich auch über diverse Video-Botschaften von Karl-Heinz Wildmoser Junior, Benny Lauth, Michael Hofmann und Michael Köllner. Das hat mich richtig gefreut. Und es war auch irgendwie zum Weinen: Das sind noch Löwen, die echte Löwen sind.

db24: Was ist Ihr Wunsch für die Löwen-Zukunft?

Wenigstens nochmal Zweite Liga. Die Erste Liga werde ich nicht mehr packen. Und dass der Verein wieder zusammenkommt. Ich weiß zwar nicht, wie das funktionieren soll, aber das ist mein Wunsch und meine Hoffnung. So wie Sechzig jetzt beinander ist, geht es nicht. So werden wir gar nichts mehr erreichen - das ist sicher. Ich wünsche mir Einigkeit statt dem ganzen Zirkus. Das schlägt aufs Gemüt. Die Vereinsführung ist mir zu ideologisch. Da geht es um alles, nur nicht um ein kluges Miteinander.

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db24: Wird das 1860 noch erleben?

Schwierig. Da müsste erst die Vereinsführung ausgetauscht werden - und am besten auch der komplette Verwaltungsrat.

db24: Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter sprach zuletzt bei der Stadion-Frage davon, dass es bei 1860 keine Kontinuität und es nicht die eine Stimme gebe. Hat er recht?

Ich will den Reiter nicht verteidigen, er ist ein Roter (lacht)! Aber er hat Recht: Der Verein ist sich einfach nicht einig. Die einen wollen einen Neubau, die anderen huldigen das Grünwalder Stadion und wollen unbedingt drinbleiben. Und genau deswegen sagt die Stadt: “Was wollt ihr überhaupt?”

db24: Hand aufs Herz: Was will der Basis-Löwe?

Für mich ist ein Umbau oben auf dem Giesinger Berg sinnlos, weil die Stadt seit vielen Jahren betont: Es werden nicht mehr als 18.105 Fans reindürfen. Deswegen ist es völliger Schwachsinn, sich damit noch länger zu beschäftigen - und das für 3.000 Plätze mehr. Und was noch viel zu kurz kommt in der Bewertung: Es gibt keine Erstliga-Lizenz! Das sollten alle mal einsehen zum Wohle von 1860 München. Die Stadt will an diesem Standort nicht mehr Leute drinhaben. Das sollten wir endlich mal akzeptieren. Die Stadt könnte doch jetzt schon mehr Fans reinlassen, aber sie lassen es nicht zu - weil sie nicht mehr Leute aus Sicherheitsgründen zulassen dürfen. Das gilt es zu respektieren. Und damit wir uns richtig verstehen: Wenn 25.000 bis 30.000 Fans reindürften, wäre ich der Erste, der sagen würden: Wir müssen in Giesing bleiben!

db24: Es braucht also ein klares Statement von der 1860-Führungsriege!

Eben - und genau das ist das größte Problem: Der Vorstand hat Angst, den Fans reinen Wein einzuschenken! Er muss sich endlich positionieren, was bisher gekommen ist, ist nicht Fisch, nicht Fleisch - und genau deswegen haben wir die Situation, wie sie ist: Große Uneinigkeit bei den Fans! Möglicherweise hat Robert Reisinger Angst vor den Ultras, oder dass wir für immer rausgehen müssen aus dem Grünwalder - ich weiß es nicht. Wir müssen übergangsweise ins Olympiastadion zur Überbrückung, ein neues Stadion werde ich leider nicht mehr erleben. So können wir nicht weitermachen: Dritte Liga ist für 1860 tödlich auf Dauer!

db24: Kurzer Schwenk zum Sport. Was kann man heuer erwarten?

Eigentlich bin ich vor jeder Saison immer Optimist. Ich hoffe immer, dass wir den Aufstieg schaffen. Momentan sind wir im Tabellenmittelfeld: Drei, vier Punkte zur Abstiegszone - nach oben etwa der selbe Abstand. Ich habe noch nicht aufgegeben, auch wenn’s schwer wird, aufzusteigen. Vielleicht bringt es der jetzige Trainer wirklich hin. Ich würde es ihm und uns wünschen. Aber ich habe meine Zweifel: Die Mannschaft wirkt auf mich noch nicht stabil genug, dass die durchziehen könnten.

db24: Was viele überrascht: Während Maurizo Jacobacci bei 1860 einen schweren Stand hatte, wird Agis Giannikis gefühlt mit Samthandschuhen von der Vereinsführung angepackt. Wundert Sie das?

Giannikis war der Wunschkandidat des e.V. und vom Verein verpflichtet. Dass für ihn eine längere Geduld da ist, ist mir klar. Ich glaube, hätte Jacobacci oder Michi Köllner die Serie am Anfang von Giannikis gehabt, wären sie schon weg gewesen…

db24: 70 Jahre Wöll, 70 Jahre Sechzig: Was waren Ihre größten Highlights, wer war ihr größter Held?

Da reicht die Zeit jetzt nicht, dass wir das hinbringen: Seit 1963 gehe ich zu Sechzig: Die Meisterschaft 1966, die ich als kleiner Bub miterleben durfte und die Aufstiege. Mit Heinz Lucas, mit Karsten Wettberg oder mit Werner Lorant der Durchmarsch. Oder die zehn Jahre Bundesliga mit Karl-Heinz Wildmoser. Und der größte Held war für mich der Radi. Er war die Lichtgestalt. Viele sind wegen ihm Sechzger geworden. Der Mann war ein Wahnsinn. Jeder wollte Torwart sein - und die Feldspieler wollten Rudi Brunnenmeier kopieren.