VON OLIVER GRISS

Nein, ich gehöre nicht zu denjenigen Fußball-Fans, die am Sonntagvormittag den Wecker für den "Doppelpass" stellen. Doch am gestrigen Sonntag zappte ich in der Länderspielpause zufälligerweise in die Kult-Sendung - und ich blieb dann doch länger hängen als geplant. Das hatte vor allem mit zwei spannenden Gästen zu tun: Dem früheren Nationalspieler und Ex-Funktionär Fredi Bobic sowie Markus Hörwick.

Hörwick, der einst bei BILD sein Handwerk lernte, leitete über drei Jahrzehnte die Öffentlichkeitsarbeit des FC Bayern - in einer Art, die dem deutschen Fußball heute fehlt. Er war Pionier in seinem Segment: Eine Respektperson, der man sein Handeln abgenommen hat. Es fehlen Fachmännner wie Hörwick, die ihren Job von der Pike auf gelernt haben. Viele Menschen kommen heutzutage zum Fußball, weil sie glauben, die Welt ihres Lieblingsvereins verbessern zu können, ohne mit dem Einmaleins dieses Berufs ausgestattet zu sein. Es tummeln sich Quereinsteiger in einem Gewerbe, was nicht gut für die Branche ist. Nicht nur in der Dritten Liga.

Und Hörwick nannte am Sonntag gute Gründe, warum sich der deutsche Fußball in eine falsche Richtung entwickelt: “Wir haben das Problem im deutschen Fußball, weil die Tür aufgegangen ist für viele Leute aus der Wirtschaft. Das sind fantastische Wirtschaftsmanager. Aber warum gehen sie in einen Klub? Aus drei Gründen: Erstens, sie bekommen irgendwann mal mit, dass Fußball viel emotionaler, viel geiler ist als der Job im 26. Stock im Hochhaus. Zweitens, im Fußball verdienen sie mindestens genauso viel - und drittens: Ganz wichtig, die Eitelkeit wird befriedigt. Wenn ich heute einen Vorstand von einem großen Unternehmen hernehme. Ich kenne keine Namen. Wenn der selbe Mann in einen Fußballklub geht, dann hat er bevor er antritt mindestens drei Interviews gegeben. Und nach vier Wochen steht er bei Sky in der Halbzeitpause vorm Mikrofon. Und das ist schön für die Tante, für die Oma und die Familie zu Hause - und das ist das Problem des deutschen Fußballs mittlerweile. Der Fußball braucht wieder Galionsfiguren. Ich denke an Basti Schweinsteiger, Michael Ballack oder Philipp Lahm.”

Auslöser dieser neuen Diskussion im deutschen Fußball ist der Wechsel von Jürgen Klopp zu Red Bull als “Global Head of Soccer”. Wenn man diverse Social Media-Kanäle verfolgt, gewinnt man den Eindruck, es wird über eine Staatsaffäre debattiert. Das Fußballmagazin “11Freunde”, Meinungsmacher der Abteilung “Tradition”, schreibt beispielsweise: “Im Fall Jürgen Klopp und Red Bull kommen immer mehr Peinlichkeiten ans Tageslicht. Es scheint, als habe der selbsternannte Fußballromantiker die Öffentlichkeit über einen langen Zeitraum hinweg angeschwindelt.” Klopp macht nichts anderes, als sein herausragendes Wissen weiterzugeben. Er schenkt es einem Konstrukt - und nicht Arminia Bielefeld, St. Pauli oder Vorwärts Bamboleo Obergiesing.

Was für Kurven-Romantiker wie Hochverrat klingt, ist im Business das Normalste der Welt: Für den Konzern Red Bull zu arbeiten und die Marke Red Bull im Fußball noch mehr Ausdruck zu verleihen, ist eine hochspannende Aufgabe, vor allem dann, wenn die Strukturen bei dieser Marke sowieso professioneller sind als bei vielen deutschen Klubs.
Es ist kein Zufall, dass die Nachwuchsförderung von Red Bull überdurchschnittlich gut ist, das Auftreten hoch-professionell - und die Österreicher es zudem auch verstehen, wie man Geld verdient: Der spanische Europameister Dani Olmo wurde für 55 (!) Millionen Euro an den FC Barcelona verkauft, insgesamt spielten die Leipziger fast 100 Millionen Transfer-Einnahmen in diesem Sommer ein.

Red Bull ist kein Klotz am Bein, sondern schafft einen Mehrwert, der bei genauer Betrachtung nur Vorteile für den deutschen Fußball bringt. Klopp, das Gesicht schlechthin für unseren Sport, wird wichtigster Markenbotschafter von Red Bull. Der verstorbene Firmen-Gründer Didi Mateschitz hätte mit dieser Meldung seine Freude gehabt.