Glöckner, der Kontrast-Löwe
- VON OLIVER GRISS
- 22.01.2025 08:30
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VON OLIVER GRISS
Ein kurzer Exkurs in die Löwen-Vergangenheit: Profilschwache Trainer haben bei 1860 zu keiner Zeit funktioniert, sondern ausschließlich Typen mit Ecken und Kanten: Max Merkel, Karsten Wettberg, Werner Lorant, Peter Pacult und in der jüngeren Vergangenheit Daniel Bierofka oder Michael Köllner.Dementsprechend war ich vor fast genau einem Jahr wenig begeistert, als die Löwen sich in einem Casting-Finale in einem Münchner Hotel für den unbekannten Agis Giannikis und gegen Feuerwehrmann Marco Antwerpen entschieden hatten. Es war ein Experiment, das länger als erwartet gedauert hat. Logisch, der Abstieg wurde im Mai 2024 mit Giannikis gerade noch abgewendet. Dass es auch mit der neuen Saison nicht besser wurde, kam nicht überraschend - siehe Trainingslager in Windischgarsten.
Ernst gemeint: Giannikis ist ein netter Kerl - einer, dem man als Mensch überhaupt nichts Negatives nachsagen möchte. Aber die so wichtige Ausstrahlung für einen Löwen-Dompteur im Profigeschäft hatte er eben nicht gehabt und genau das hätte man als Verantwortlicher mit 1860-DNA erkennen müssen. Wie heute weiß ich noch, als Giannikis sein erstes Training auf Kunstrasenplatz geleitet hatte. Ich musste ihn erst einmal suchen - und das ist gleich ein schlechtes Zeichen, wenn die Energie des Übungsleiters nicht sofort sicht- und spürbar ist. Unter Giannikis wurde 1860 von Monat zu Monat uninteressanter. Das Grünwalder Stadion war am Ende zwar offiziell ausverkauft, aber viele, viele Plätze blieben leer. Dasselbe Bild in der Herzkammer an der 114: Am Ende waren maximal nur noch ein Dutzend Kiebitze pro Einheit am Trainingsgelände - Journalisten-Besuche auf der Suche nach den Geschichten im normalen Trainingsbetrieb? Wurden zuletzt immer seltener. Kurzum: Es war wieder mal ein verschenktes Jahr.
Umso positiver bin ich jetzt allerdings gestimmt mit der Verpflichtung von Patrick Glöckner. Ich sage klipp und klar: Ich hätte liebend gerne Michael Köllner oder Tobias Schweinsteiger bei 1860 München gesehen, aber die Zeit ist im Moment nicht reif für Personalentscheidungen dieser Art (aus bekannten politischen Gründen) - und für die aktuelle Situation ist der drittliga-erfahrene Glöckner alles andere als eine Verlegenheitslösung, denn er hat genau das, was einen Löwen-Trainer auszeichnen sollte: Persönlichkeit, Mentalität, Charisma, Witz, Akribie und die Power - das haben seine ersten Stunden an der Grünwalder Straße 114 bereits gezeigt. Glöckner ist ein interessanter und guter Typ, der auch lachen kann und den Schuss Humor besitzt, und nicht steif seine vorgefertigen Sätze runterbetet. Am wichtigsten aber: Das Spa-Feeling bei 1860 muss raus, “Bademeister” Glöckner wird dafür sorgen.
Glöckner & Maier im Doppelpack zu 1860: Welche Note geben Sie diesen beiden Personalien?
Glöckner ist der Konstrast-Löwe zu Vorgänger Giannikis. Die Mannschaft wird es Geschäftsführer Christian Werner danken, dass er gerade noch rechtzeitig handelte, seinen einstigen Wunschtrainer zu feuern und Glöckner zu verpflichten. Ein Selbstläufer wird es aber trotzdem nicht, denn die wichtige gemeinsame Vorbereitung fehlt. Die Mannschaft muss jetzt in sich gehen und zeigen, dass sie besser als ihr Ruf ist…
Oliver Griss (53) berichtet seit 36 Jahren über den TSV 1860, darunter allein 12 Jahre zu Bundesliga-Zeiten für die Münchner Abendzeitung. Seit 2011 betreibt Griss das Löwen-Portal db24, das im Jahr 2024 wieder auf knapp 40 Millionen Seitenaufrufe gekommen ist.