Radi im Interview: "400 Mark im Monat - das war das Maximum"
- VON OLIVER GRISS
- 28.05.2016 17:59
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VON OLIVER GRISS
dieblaue24: Herr Radenkovic, heute am 28. Mai 2016, jährt sich zum 50. Mal der Gewinn der deutschen Meisterschaft. Lassen Sie uns ein wenig teilhaben: Wie war das damals?
PETAR RADENKOVIC (81): Für mich ist es, als wenn dieser Tag gestern gewesen ist. Der 28. Mai 1966 war der schönste Tag meiner Karriere. München hat uns gefeiert, von den Bayern hat kaum einer Kenntnis genommen. Wir hatten eine fantastische Mannschaft und mit Max Merkel einen tollen Trainer. Ich ziehe da Parallelen zum Titelgewinn von Leicester City in England: Wir sind damals auch aus dem Nichts gekommen und haben die Massen begeistert. Auch wenn Borussia Dortmund 1966 den Europapokal gewann, war 1860 die beste Mannschaft in Deutschland. 1964 Pokalsieger, 1965 Europapokal-Finale, 1966 Deutscher Meister, 1967 Vizemeister. Das, was die Bayern heute sind, waren wir in den 60er Jahren.
Sie waren nicht nur ein guter Torwart, sondern auch der erste Entertainer der Bundesliga…
(lacht): Ja, mein Lied “Bin i Radi, bin i König” war ein Riesenerfolg. Die Platte wurde rund 400.000mal verkauft. In der Hitparade stand ich ein paar Monate sogar vor den Beatles. Ich war in sämtlichen TV-Shows vertreten, u.a. bei Hans-Joachim Kulenkampff. Und Sie werden es nicht glauben: Es kommt auch heute noch vor, wenn ich in München in ein Taxi einsteige, dass der Fahrer zu mir sagt: “Radi, ich hab’ was für dich.” Und dann spielt er mein Lied. Das ist doch verrückt. Nach 50 Jahren haben die Menschen das nicht vergessen.
Heute wären Sie womöglich einer der Bestverdiener der Bundesliga - was gab’s damals zu verdienen?
400 Mark im Monat - das war das Maximum. So war damals eben die Zeit. Nebenbei hatte ich noch Sponsoren wie Zweirad Union, Blendax oder eine Textilfirma aus Ravensburg. Ich will nicht klagen. Mein großes Pech war auch, dass ich nur drei Länderspiele für Jugoslawien machen durfte. Weil ich ohne Erlaubnis meine Heimat verlassen habe, wurde ich für die Nationalmannschaft gesperrt. Ich wurde danach nie mehr berufen.
Wer ist Ihr persönlicher Lieblings-Löwe?
Das ist eine ganz schwere Frage. Wir hatten ja fast nur Nationalspieler in der Mannschaft. Es wäre ungerecht, einen herauszuheben. Aber Zeljko Perusic war schon ein sehr wertvoller Spieler aus dieser Generation.
Heute ist vom großen TSV nicht mehr viel übrig geblieben: Woran liegt das?
Schauen Sie: Seit Jahrzehnten werden bei 1860 gute Leute verhindert, während der FC Bayern von Fußball-Kompetenz nur so strotzt. Das ist der gravierende Unterschied. Seit dem Abstieg 2004 predige ich, dass sich was ändern muss - doch man redet bei diesem Verein gegen die Wand. Das beste Beispiel ist doch der Verwaltungsrat: Da sitzen nur Leute drin, die im Fußball noch nie etwas gemacht haben. Wie soll ein Profiverein dann funktionieren? Mir kommt es bei 1860 immer so vor, als wenn die Schwachen die Starken absichtlich verhindern, damit ihre Defizite nicht ans Tageslicht kommen…
Wie sehen Sie Präsident Peter Cassalette?
Ich kenne ihn zu wenig, um mir ein faires Urteil zu bilden. Aber: Er macht auf mich einen engagierten Eindruck. Er ist bemüht und sympathisch. Ein Ehrenmann. Für mich ist das sowieso ein Wunder, dass sie in dieser Situation einer überhaupt zur Verfügung stellt…