VON MARCO BLANCO UCLES UND IMAGO (FOTOS)

Zwölf Jahre Kampf und Leidenschaft - Dominik Stahl war einer, der dort hinging auf dem Platz, wo es wehtat…

Anfang der Woche hat der 34-Jährige, der seit 2016 für die SpVgg Unterhaching auflief, sein sofortiges Karriereende verkündet. Stahl hatte in den vergangenen Jahren mit langwierigen Knieproblemen zu kämpfen, absolvierte kaum mehr ein Spiel. Nun ist also Schluss.

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Als 15-Jähriger wechselte der defensive Mittelfeldspieler aus Hoffenheim ins Nachwuchsleistungszentrum der Löwen, durchlief die Jugendmannschaften der Sechzger und schaffte in der Saison 2009/2010 unter Ewald Lienen den Durchbruch im Zweitliga-Team bei 1860. Nach der Saison 2015/2016 wurde Stahls Vertrag nicht mehr verlängert und er schloss sich der SpVgg an. In 123 Zweitligapartien für die Löwen erzielte Stahl zehn Treffer.

Im großen db24-Interview spricht der zweifache Familienvater über die Gründe für sein vorzeitiges Karriereende, seine bewegende Zeit bei den Löwen sowie den unsanften Abschied von der Grünwalder Straße 114 im Jahr 2016.

db24: Herr Stahl, nach 14 Jahren Profifußball haben Sie am Dienstag Ihr Karriereende bekannt gegeben. Wie kam es zu dieser Entscheidung während der laufenden Saison?

DOMINIK STAHL: Ich bin 34 Jahre alt, werde im August 35. In unserem Beruf stellt sich da irgendwann die Frage, wann man die Karriere beendet und nicht mehr ob. Natürlich spielen die Verletzungen dabei eine große Rolle. Ich habe mich 2020 schlimm am Knie verletzt, mein Kreuzband sowie mein innerer und äußerer Meniskus waren gerissen. Am selben Knie hatte ich zu meiner Löwen-Zeit bereits zwei Operationen am Innenband. Ich bin 2021 wieder rangekommen, habe die komplette Vorbereitung und zwei Spiele mitgemacht, ehe ich eine Kniestauchung hatte - wieder am selben Knie. Da muss man sich natürlich irgendwann Gedanken machen, wenn es sich auf dem Platz nicht mehr rund anfühlt. Ich hatte in der Reha zwar das Gefühl, dass es besser wird - aber nicht mehr hundertprozentig reicht.

db24: Nun haben Sie die Konsequenzen daraus gezogen…

Genau. Es macht nur Spaß und Sinn, wenn ich hundertprozentig fit bin - sowohl für mich als auch den Verein. Als alter Hase, der sich nur noch über den Rasen schleppt - nein, so schlimm war es Gott sei Dank nicht (lacht) - sollte man dann den Platz lieber vielleicht frei machen. Das Karriereende war irgendwann dann die logische Konsequenz. Das ist besser, als wenn ich mit aller Macht versuchen würde, noch ein oder zwei Spiele hinzubekommen.

db24: Nach so vielen Jahren im Profifußball: War die endgültige Entscheidung dennoch ein harter Schlag für Sie oder konnten Sie sich mental darauf vorbereiten?

Harter Schlag wäre viel zu viel. Ein harter Schlag ist es für mich, wenn ein 20-Jähriger seine Karriere verletzt beenden muss. Man muss das schon relativieren, deshalb habe ich gleich zu Beginn ja auch mein Alter angesprochen. Es war ein langer Prozess und ich konnte die Entscheidung sehr bewusst für mich treffen. Der Verein hat mir die Zeit gegeben, ich konnte das frei entscheiden, das hat geholfen.

db24: Wie sieht sie aus, die Karriere nach der Karriere des Dominik Stahl?

Ich finde es wichtig, dass ein Spieler weiß, was nach seinem Karriereende kommen wird. Das ist ein wichtiger Punkt für einen Fußballer. Ich bin derzeit in meinem Master-Studiengang für Psychologie, im letzten Jahr. Ich habe bereits zu 1860-Zeiten mit dem Studieren angefangen. Als Werkstudent bin ich in der Luft- und Raumfahrt-Psychologie tätig - auch ein spannender Hochleistungsbereich. Das Jahr der Orientierung nutze ich jetzt, um mich intensiv auf meine Zukunft vorzubereiten, viele Gespräche zu führen. Natürlich ist Sport meine Leidenschaft. Gerne würde ich im Fußball arbeiten, in irgendeiner psychologischen Art. Wie das dann aber genau aussieht, weiß ich derzeit noch nicht. Als Trainer beispielsweise sehe ich mich derzeit überhaupt nicht (lacht).

db24: Die letzten sieben Jahre Ihrer Karriere verbrachten Sie bei der SpVgg Unterhaching, stiegen mit dem Klub in die Dritte Liga auf und wieder ab. Der Verein um Präsident Manni Schwabl verlängerte Ihren Vertrag trotz Verletzung - alles andere als alltäglich im Fußball-Geschäft…

Der Verein ist mir ans Herz gewachsen. 2016 bin ich nach Unterhaching gewechselt und habe von Anfang an eine familiäre Atmosphäre vorgefunden mit Manni Schwabl an der Spitze. Zu Beginn waren wir auch gleich erfolgreich mit dem souveränen Aufstieg in die Dritte Liga. Danach hatten wir ein paar super Drittliga-Jahre. Schade ist natürlich, wie es die letzten Jahre mit Beginn der Corona-Pandemie gelaufen ist. Ich weiß, wie viele Menschen alles dafür geben, dass der Verein erfolgreich ist. Auch in der zuvor sehr erfolgreichen Jugend hat der Klub mittlerweile mit einigen Abstiegen ein paar Rückschläge erlitten. Aber die Vergangenheit in Unterhaching hat gezeigt, dass man sich davon immer erholt hat.

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Auch bei der SpVgg Unterhaching eine Kämpfernatur: Dominik Stahl - hier gegen Sechzigs Tim Rieder.

db24: Die finanziellen Probleme der SpVgg waren zuletzt auch immer wieder Thema in den Medien. Machen Sie sich Sorgen um die Zukunft des Vereins?

Natürlich bekommt man das mit. Ich kann dazu aber wenig sagen, da ich in den Themen wenig drin bin. Ich bin mir sicher, dass Unterhaching da wieder heraus kommt, einen Weg finden wird. Ich hoffe einfach, dass bei der SpVgg wieder alles in gute Bahnen gerät.

db24: Ihr Durchbruch im Profifußball gelang Ihnen einige Kilometer entfernt von Unterhaching, in München-Giesing. Bereits als Jugendlicher kamen Sie ins NLZ der Löwen…

Mit 15 Jahren kam ich damals aus Hoffenheim nach München, an die Grünwalder Straße 114. Ich hatte ein Zimmer direkt mit Blick auf den Profi-Trainingsplatz. Das war eine riesige Sache für mich zu dieser Zeit. Ich kam aus einer sehr ländlichen Gegend und war dann mit 15 plötzlich in einer Großstadt. Unsere erste Reise mit der Löwen-U17 damals ging gleich nach Japan, das war auf einmal die große weite Welt (lacht). Ich bin in ein hervorragendes Fußball-Internat eingezogen, damals noch unter der Leitung von Ernst Tanner. Die Strahlkraft von Sechzig hat sich sogar bis zu uns nach Hause rumgesprochen gehabt. Das NLZ war wahnsinnig renommiert, eines der besten in Deutschland. In der U17 haben wir um die Deutsche Meisterschaft gespielt, in der U19 den DFB-Pokal gewonnen - das war eine super geile Zeit in der Jugend.

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Zwei Talente aus dem Löwen-NLZ, die es zum Profi schafften: Dominik Stahl (l.) und Mathias Wittek.

db24: Man hört schon heraus, dass der Löwe Ihnen nach wie vor viel bedeutet, oder?

Ja, absolut! Sechzig wird immer ein riesen Teil von mir sein. Das ist einfach so und habe ich auch immer gesagt, selbst als ich bei Haching gespielt habe. Ich habe dort so viele Jahre verbringen dürfen - ich sage bewusst dürfen -, so viele tolle Menschen kennenlernen dürfen und konnte dort meinen Traum verwirklichen, Profi zu werden. Und das obwohl ich in den Jugend-Mannschaften nie als das ganz große Talent galt…

db24: Was war der Grund, dass Sie es dennoch zum Profi geschafft haben - im Gegensatz zu vielen Ihrer Kollegen aus dem NLZ?

Das ist eine gute Frage (lacht). Vielleicht kann ich es so beschreiben: Immer wenn es darauf ankam, habe ich dann doch die geforderte Leistung gebracht. Als ich in der U19 war, gab es Gespräche, wie es mit mir weitergehen soll. Im Raum stand, dass ich einen Vertrag für die Amateure bekommen sollte und an einen Münchner Verein - Heimstetten oder so - verliehen werde, damit ich mein Abitur in Ruhe fertig machen kann. Von der Idee war ich wenig begeistert. Ein halbes Jahr später war ich als U19-Spieler mit den Amateuren dann im Trainingslager unter Coach Marco Kurz und habe anschließend 19 Spiele für die Amateure in der Regionalliga von Beginn an gemacht. Das charakterisiert meinen Werdegang vielleicht ganz gut (lacht). Immer wenn ich wusste, dass ich performen muss, hat es irgendwie immer geklappt. Auch bei den Profis später habe ich gefühlt jedes Jahr einen Konkurrenten vor die Nase gesetzt bekommen, ob das Flo Lovin war oder Grigorios Makos. Auf Dauer konnte ich mich dennoch immer irgendwie durchsetzen. Es ging viel darum, nicht aufzugeben und sich durchzubeißen. Auf der anderen Seite war es auch immer die Lockerheit, die mir geholfen hat. Für mich wäre damals keine große Welt zusammengebrochen, wenn ich es nicht geschafft hätte, Profifußballer zu werden. Alleine weil die gesammelten Erfahrungen bereits unfassbar wertvoll waren.

db24: Marco Kurz trainierte Sie bei den Amateuren, später bei den Profis. Sie hatten unzählige Trainer bei den Löwen, im Nachwuchs und zu Zweitliga-Zeiten. Gibt es den einen Coach, der für Sie heraussticht?

Vorsicht, abgedroschener Satz: Ich habe von jedem Trainer etwas mitgenommen (lacht). Ewald Lienen ist ein besonderer Trainer für mich, da ich unter ihm den Durchbruch bei den Profis geschafft habe. Natürlich habe ich auch ein gutes Verhältnis zu Claus Schromm, der mich in der U19 und später dann bei Unterhaching trainiert hat. Wolfgang Schellenberg hat mich in der U17 auch stark geprägt. Bei den Profis waren es ja über die Jahre viele Trainer, wie man weiß (lacht). Da einen herauszuheben, ist schwierig. Zu Alex Schmidt habe ich natürlich ein gutes Verhältnis, bin ihm später in Unterhaching nochmal über den Weg gelaufen.