VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Jimmy Hartwig ist das, was man sich heute im Profi-Fußball herbeisehnt: Der frühere Nationalspieler war ein Stratege, einer, mit dem man sich fetzen konnte - einer, der gegen den Strom geschwommen ist. Einer, der auf dem Platz nicht klein bei gab. Er hat polarisiert ohne Ende. Der gelernte Maschinenschlosser war ein Lebemann mit schicken Autos, aber auch ein genialer Fußballer. Heute wird der Aufstiegsheld von 1977, der mit seinem Tor in Frankfurt im Relegationsspiel gegen Arminia Bielefeld die Bundesliga-Rückkehr der Löwen möglich machte, 70 Jahre alt. Zwischen 1974 und 1978 absolvierte er 133 Spiele für den TSV. Dabei erzielte er 28 Tore. Mit den Löwen hat er heute eigentlich keine Berührungspunkte, was eigentlich schade ist. Das liegt aber nicht an ihm, sondern vielmehr an den Löwen selbst.

Hartwig wuchs in Offenbach in einem “Arme-Leute-Viertel auf”. Die Kindheit verlief wenig glücklich: Seinen Vater, einen schwarzen US-Soldaten, hatte er laut eigenen Angaben nie kennengelernt. Hartwig wuchs mit seiner Mutter bei seinen Großeltern auf - für den Großvater war die Geburt des dunkelhäutigen Jimmys “eine Schande”. Der Jubilar sagte vor Jahren: “Mein Großvater wollte nicht, dass ich auf die Welt komme. Sie mussten immer aufpassen, als ich klein war, dass er mir kein Kissen ins Gesicht drückt.”

Hartwig kämpft, auch gegen den Rassismus. Er wird Profifußballer. 1972 unterschreibt er bei den Offenbacher Kickers seinen ersten Vertrag. Kurze Zeit später wird er nach Osnabrück ausgeliehen. Wiederum ein Jahr später wechselt er zu den Löwen - ein Glücksgriff. 1977 ist sein Jahr bei 1860. Er kehrt mit dem Traditionsklub ins Fußball-Oberhaus zurück. Schon ein Jahr später klopft der HSV an: Weil die Löwen ihm das geforderte Gehalt nicht zahlen wollen, wechselt er für die Ablösesumme von 560.000 Mark zum HSV. Dort wird er ein richtiger Star, gewinnt dreimal die deutsche Meisterschaft und 1983 sogar den Europapokal der Landesmeister. Er absolvierte in seiner HSV-Zeit auch zwei A-Länderspiele. Er war sich aber auch immer wieder Feindseligkeiten der gegnerischen Fans ausgesetzt. “Ich stand vor 5000 bis 6000 Bayern-Fans”, sagte er einmal, “und dirigierte sie, während sie sangen “Jimmy Hartwig, das Negerschwein.”

Nach seiner Karriere kommt’s zum tiefen Fall: Der einstige Spaßvogel fällt, verliert sein Vermögen. Hinzu kommen Alkohol- und Drogenprobleme. Er wird krank - Krebs und Gehirntumor. Zweimal soll er kurz davor gewesen sein, sich das Leben zu nehmen. Dreimal lässt er sich scheiden. Doch Hartwig steht wieder auf. Er spielt Theater, wird Integrationsbotschafter des DFB und engagiert sich in der Gesundheitsprävention. 2023 bringt er seinen eigenen Gin auf den Markt. Seinen inneren Frieden hat Hartwig längst gefunden. Er lebt heute mit seiner Frau in Inning am Ammersee. “Die Familie ist das Größte. Das hat lange gebraucht, bis ich das erkannt habe.”

Hartwig ist ein außergewöhnlicher Mensch, dem man gerne zuhört. Er hat was zu sagen - ganz anders als viele in der heutigen Fußball-Generation.

Gegenüber dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” zieht Hartwig ein positives Fazit zu den vergangenen 70 Jahren: “Bis jetzt habe ich immer wieder all jene Lügen gestraft, die mich unterschätzt haben, oder die mich schon tot sehen wollten. Ich habe alle zum Schweigen gebracht. Da bin ich stolz drauf.”

Alles Gute, Jimmy Hartwig!

Klick Dich rein in die Bildergalerie zum 70. Geburtstag von Jimmy Hartwig!