VON OLIVER GRISS UND IMAGO (FOTO)

Es war im Dezember 2005: Necat Aygün, bei 1860 aufgewachsen, kommt zu Zweitliga-Zeiten mit der SpVgg Unterhaching in die Allianz Arena - und die kleinen Vorstädter fegen wie ein Sturm über Sechzig hinweg. 50.000 Fans erleben ein Löwen-Debakel. 1:4! Und Aygün, eigentlich fürs Verteidigen zuständig, trifft mit Maske per Kopf doppelt. Gegen seine Jugendliebe. “Wir waren der klare Underdog. Vorher hatte uns schon die Presse zerlegt. Letztlich haben wir aber in der Allianz Arena gezeigt, wer die Lederhosen anhat. Wir hatten ja bei Haching deutlich mehr waschechte Münchner auf dem Platz - und wir wollten zeigen, wer die echten Münchner sind und nicht die Zuagroasten”, erinnert sich Aygün mit einem Lächeln im Gesicht im Gespräch mit db24: “Logisch, dieses Spiel werde ich nie vergessen. Das war schon alles verrückt.”

Inzwischen stehen sich beide Vereine in der Dritten Liga gegenüber - und selbst auf diesem Terrain blieben die Klubs bis jetzt deutlich hinter den Erwartungen. “Ich habe beide Mannschaften in dieser Saison schon live gesehen”, sagt db24-Tippexperte Aygün: “Fußballerisch ist das schon ernüchternd. Ich war beim 1:0-Sieg gegen Hannover 96 II im Grünwalder Stadion. Mir ist aufgefallen, dass die Löwen zwar die technischen Möglichkeiten haben, aber nicht wissen, wie man sie einsetzt. Ich denke, Sechzig und Haching haben sich den Drittliga-Start komplett anders vorgestellt. Deswegen gehe ich davon aus, dass es ein Unentschieden-Spiel wird - 1:1!”

Dass die Löwen nicht rauskommen aus der Dritten Liga, ist nicht nur für Aygün enttäuschend. “Meine Blauen spielen schon viel zu lange in dieser Liga. Aber es liegt auf der Hand, warum das nichts wird. Solange gestritten wird, wirst du nicht mehr um den Aufstieg spielen”, so Aygün und ergänzt: “Es ist doch so, dass du als Außenstehender das Gefühl hast, dass du dich von einer Streiterei zur nächsten hangelst. Solange das der Fall ist, wird das nichts. Da kannst du noch so viele Trainer wechseln und Spieler austauschen. Erst wenn 1860 wieder eine Einheit ist, dann funktioniert es auch auf dem Platz. Aber da sage ich nichts Neues. Das ist so!”

Mit welcher Platzierung rechnet Aygün bei 1860, wofür er ab und an noch für die Traditionsmannschaft spielt? “Meine Prognose war vor der Saison, dass die Löwen im Mittelfeld landen - zwischen Platz 9 und 12. Ich bin überzeugt, dass 1860 mit dem Abstieg nichts zu tun hat.” Angetan ist Aygün von Julian Guttau. “Der Junge hat eine große individuelle Klasse. Aus meiner Sicht kann er höher spielen. Aber es ist schwierig, wenn er auf sich alleine gestellt ist.”

Was Aygün nicht verstehen kann, ist die Stadion-Thematik rund ums Grünwalder. “Meiner Meinung nach ist der Standort schon überragend. Ich frage mich, warum es in anderen Städten funktioniert und nur in München nicht”, erklärte der 44-Jährige: “Die Menschheit baut Wolkenkratzer, aber es ist nicht möglich, an Ort und Stelle ein Stadion zu bauen, das den Ansprüchen des Vereins und der Fans gerecht wird. Ich verstehe es nicht. Es führt kein Weg daran vorbei, dass 1860 ein neues Stadion braucht.”

Aygün selbst ist derzeit in der Warteschleife - er wartet nach seinem Engagement als Sportlicher Leiter in Karlsruhe auf einen neuen Job. “Ich will wieder was machen, Fußball ist meine Leidenschaft”, sagt er: “Ich habe in der Zweiten Liga Erfahrung gesammelt. Ich warte auf das Passende. Die Voraussetzungen müssen stimmen.” Aktuell hilft er seiner Frau, mit der er in München zusammen sieben Kindergärten betreibt.