VON OLIVER GRISS

Die Dritte Liga schmückt sich mit vielen Traditionsvereinen wie Dresden, Pokalfinalist Bielefeld, Rostock, Essen, Aachen, Saarbrücken, Waldhof Mannheim oder 1860, mit Rekord-Zuschauerzahlen, mit Dramatik, sogar mit einem eigenen TV-Kanal, der den Wettbewerb zum entspannten Wohnzimmer-Erlebnis macht - was die Dritte Liga aber nicht hat, ist: Gerechtigkeit. Und so ist sie leider nur eine Kracherlliga, in der die Tagesform der Schiedsrichter über das Wohl und Wehe der Klubs entscheidet. Und genau daran verzweifeln regelmässig die Vereine, die mit Millionen jonglieren. Die Vereine in der Dritten Liga sind Wirtschaftsunternehmen, in denen Arbeitsplätze, Existenzen und Einzelschicksale auf dem Spiel stehen.

Spieltag für Spieltag geraten die Unparteiischen unfreiwillig in den Fokus - weil sie mit dem schnelleren Spiel überfordert werden. Der Fußball ist athletischer geworden, viel schneller als noch in den 80er Jahren - das geschulte Auge kann nicht mehr mithalten. Am vergangenen Wochenende gab’s gleich zwei vogelwilde Fehl-Entscheidungen, über die zu reden sind: Das nicht gegebene Tor von Sochiro Kozuki beim 5:1-Sieg des TSV 1860 über den Tabellenzweiten Energie Cottbus, als Schiedsrichter Felix Bickel beim Stand von 0:0 übersah, dass der Ball des Japaners rund einen Meter hinter der Linie war, ehe er von Cottbus’ Verteidiger Axel Borgmann weggeschlagen wurde. Die Behauptung, dass die kleine gelbe Werbebande schuld an diesem Missgeschick sei, ist eine schlechte Ausrede. Hätte 1860 das Spiel nicht so souverän gewonnen, würde man von einem handfesten Skandal sprechen. Sollte den Löwen in der Endabrechnung ein Tor für den Klassenerhalt fehlen, wird man sich an diesen denkwürdigen 5. April 2025 zurückerinnern.

Oder Schauplatz Essen: Beim Stand von 1:1 zwischen RWE und Rostock wird Verteidiger Ahmet Gürleyen aus einem Meter der Ball an die Hand geschossen - und obwohl Gürleyen seinen Arm in der natürlichen Bewegung hat, pfeift Schiedsrichter Martin Speckner Elfmeter. Eine Fehlentscheidung! Ahmet Arslan verwandelt das Geschenk, die drei Punkte bleiben in Essen.

Das Portal liga3-online.de hat ausgerechnet: In der laufenden Drittliga-Saison gab es bereits 206 (!) Fehlentscheidungen - jeder Schiedsrichter-Bock ist einer zu viel. Selbstverständlich soll der Fußball möglichst unverfälscht bleiben, doch die Diskrepanz zwischen den ersten beiden Profiligen und der vom DFB geführten Dritten Liga ist inzwischen viel zu groß. Deswegen braucht es eine Lösung, mit der die Vereine in der Dritten Liga leben können und die Fairness sicher stellt.

Dass sich Felix Bickel noch in der Halbzeit für sein Missgeschick bei 1860-Geschäftsführer Christian Werner entschuldigt hat, ist aller Ehren wert und zeugt von Sportsgeist. Doch es hilft dem Giesinger Klub nicht weiter. Die Löwen wurden in dieser Spielzeit allein 14mal benachteiligt und liegen damit liga-weit auf Rang 3. In der Vorsaison 13mal. Werner hat vor kurzem ausgerechnet, dass 1860 zehn Punkte mehr haben könnten - und dann spricht man nicht von Abstiegs-, sondern von Aufstiegskampf!

Deswegen: Es braucht eine Revolution in der Dritten Liga. Wer keine Lust auf Professionalität hat und von einem angeblichen positiven Alleinstellungsmerkmal schwadroniert, sollte freiwillig in den Amateurfußball absteigen. Selbst in der Regionalliga West geht der Klamauk schon los - siehe FC Düren. Der Viertligist sucht über einen Influencer Spieler. Andere Klubs melden während der Saison Insolvenz an und ziehen sich vom Spielbetrieb zurück (Türkspor Dortmund).

Ergo: Die Drittliga-Klubs sollten sich gemeinsam mit dem DFB endlich komitten für einen VAR (egal in welcher Ausführung, der vierte Offizielle könnte per Tablet die strittigen Szenen auf MagentaSport am Spielfeldrand bewerten) - so wie bisher, darf es jedenfalls nicht mehr weitergehen. Und die Kostenfrage könnte auch schnell geklärt sein - mit einem Teil des Geldes, das der DFB für die Pyro-Vergehen der Klubs einnimmt, kann eine vernünftige Lösung aufgestellt werden, die die Gerechtigkeit wieder in den Mittelpunkt stellt und somit die Vereine wieder zufriedener macht.

Die Alternative für Sechzig: Einfach mal aufsteigen!

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